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"Willkommenskultur im Betrieb" Junge Geflüchtete

  • Warum ist eine Willkommenskultur heute besonders wichtig?

    Das Gefühl, willkommen zu sein, ist nicht nur im privaten Umfeld schön - auch in der Arbeitswelt bildet es die Basis für ein erfolgreiches Miteinander zwischen Unternehmen und Belegschaft.

    Viele Unternehmen suchen schon jetzt händeringend Auszubildende. Besonders in Berufen, die nicht im Trend liegen, ist die Suche oftmals mühsam oder bleibt erfolglos. Aufgrund des demografischen Wandels wird sich die Ausbildungssituation in den nächsten Jahren noch verschärfen. Umso mehr Bedeutung gewinnen jegliche Möglichkeiten, mit Jugendlichen in Kontakt zu treten und sie für das eigene Unternehmen und einen bestimmten Ausbildungsberuf zu begeistern. Kooperationen mit Schulen, Ausbildungsmessen, "Speed-Datings" bei Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Arbeitsagenturen, Ausbildungsbotschafter/-innen, soziale Netzwerke und Schülerpraktika sind nur einige Beispiele.

    Um mittel- und langfristig den Fachkräftebedarf in den Betrieben zu decken, wird es immer wichtiger, auch Zielgruppen anzusprechen, an die Sie früher bei der Rekrutierung vielleicht nicht gedacht haben, die aber durchaus geeignet für Ihren Ausbildungsberuf sein können. Dies können auch junge Menschen sein, die als Migranten und Migrantinnen nach Deutschland gekommen sind und die einen anderen kulturellen Hintergrund haben als Sie.

    Viele geflüchtete Jugendliche und junge Erwachsene haben kein familiäres Netzwerk. Ein Ausbildungsplatz in einem Betrieb, in dem sie sich angenommen fühlen, bietet da eine große Chance für einen Neuanfang. Eine sinnvolle Arbeit mit Zukunftsperspektive ist für diese Zielgruppe eine wichtige gesellschaftliche Integrationsmaßnahme, fördert das Selbstwertgefühl und sichert langfristig den eigenen Lebensunterhalt.

    Der Eintritt in die Arbeitswelt mit all den ungewohnten Abläufen und Anforderungen bedeutet für diese jungen Menschen zugleich aber auch eine große Veränderung, während der sie auf Ihre Unterstützung und Begleitung besonders angewiesen sind. Chance wie Herausforderung für Ausbildungs- und Praktikumsbetriebe ist es, einen solchen "Wohlfühlort" und eine neue Art von Heimat zu bieten.

    Allgemein ist das Gefühl des "Dazugehörens" für die innere Bereitschaft, sich zu engagieren, von hoher Bedeutung. Es ist auch Voraussetzung für die Identifikation mit den Anforderungen, die durch die Ausbilder/-innen an die Auszubildenden herangetragen werden. Jugendliche brauchen das Gefühl, in Ihrem Betrieb willkommen zu sein und als Teammitglied ernst genommen zu werden.

    Eine gelebte Willkommenskultur trägt dazu bei, dass

    • sich Auszubildende und Belegschaft im Unternehmen wohlfühlen,
    • die Integration von Auszubildenden und neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leichter vonstattengeht,
    • Auszubildende auch nach der Lehre gerne im Unternehmen bleiben,
    • Auszubildende bessere Leistungen bringen,
    • Auszubildende weniger krank sind und
    • das öffentliche Ansehen des Betriebs erhöht wird.
  • Wann beginnt die Willkommenskultur?

    Schon mit dem ersten Kontakt zwischen dem Praktikums- oder Ausbildungsbetrieb und den Jugendlichen beginnt die Willkommenskultur.

    Gerade für junge Menschen, die noch wenig Selbstvertrauen haben und ungeübt in der deutschen Sprache sind, ist es schon ein großer Schritt, in einem Betrieb anzurufen und nach einem Praktikums- oder Ausbildungsplatz zu fragen. Oft wird deshalb eine Betreuungsperson mit Ihnen Kontakt aufnehmen. Werten Sie dies nicht als mangelndes Interesse des Bewerbers oder der Bewerberin. Stellen Sie sich einfach vor, Sie selbst müssten sich in einer fremden Sprache, die Sie noch nicht gut beherrschen, telefonisch um einen Arbeitsplatz kümmern. Die Vereinbarung eines persönlichen Vorstellungstermins ist für Geflüchtete die erste Geste des Willkommens.

    Das gleiche gilt für eine schriftliche oder Online-Bewerbung, die für Geflüchtet eine große Hürde darstellt und daher meist mit Unterstützung einer Vertrauensperson formuliert wird.

    Das erste persönliche Gespräch wird der/die Bewerber/-in selbst meistern können, wenn auch eine Betreuungsperson zur Sicherheit dabei ist. Schaffen Sie schon beim ersten Vorstellungsgespräch eine angenehme Atmosphäre.

    Zeigen Sie Interesse an der Person und ihren besonderen Lebensumständen. Beginnen Sie vielleicht mit einem kurzen Rundgang durch den Betrieb, sodass sich der oder die Jugendliche erst einmal umschauen und eventuell schon ein paar Fragen stellen kann. Dies ermöglicht einen einfacheren Einstieg in ein folgendes Gespräch.

  • Was sind wesentliche Elemente einer Willkommenskultur?

    Schon einige wenige Vorbereitungen und Überlegungen helfen dabei, dass sich Auszubildende oder Praktikantinnen und Praktikanten von Anfang an in Ihrem Betrieb willkommen und akzeptiert fühlen können:

    1. Ausbildungs- beziehungsweise Praktikumsleitfaden

    Ein Ausbildungs- beziehungsweis Praktikumsleitfaden hilft sowohl Ihnen und Ihrem Ausbildungspersonal als auch den Jugendlichen, sich auf die bevorstehende Lehr- und Lernzeit vorzubereiten.

    In einem solchen Leitfaden sollte genau beschrieben sein, welche schulischen und persönlichen Voraussetzungen notwendig sind. Das Wissen darum, diese Voraussetzungen zu erfüllen, stärkt das Selbstvertrauen und die Motivation. Legen Sie dabei die Messlatte jedoch nicht zu hoch an: Schließlich geht es um ein Praktikum oder einen Ausbildungsplatz - nicht um eine Fachkraftstelle.

    Erforderliche Arbeitskleidung, Arbeitspapiere, die Erstuntersuchung nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz usw. sollten ebenfalls beschrieben werden, sodass Jugendliche sich optimal auf ihren ersten Tag im Betrieb vorbereiten können. Sind diese Dinge von Anfang an klar geregelt, gibt es keinen Frust, weil irgendetwas fehlt und man nicht gleich voll durchstarten kann.

    Auch hier gilt: Bleiben Sie bitte realistisch. Verlangen Sie beispielsweise keine Business-Kleidung für zwei Wochen Praktikum.

    Die Ausbildungsabteilungen, die jeweils zu vermittelnden Inhalte gemäß Ausbildungsrahmenplan und die Ausbildungszeiten sollten ebenfalls im Leitfaden klar geregelt sein. So wissen alle Verantwortlichen in der Abteilung, was wann zu tun ist, und es wird sichergestellt, dass die Jugendlichen echte Lerninhalte mitbekommen, anstatt nur sinnlos "geparkt" zu werden.

    Achten Sie bei Bewerbern und Bewerberinnen mit Migrationshintergrund darauf, dass der Leitfaden klar und einfach geschrieben ist. Ausbildungsinhalte können an diesem Punkt auch in großen Überschriften definiert werden und müssen nicht ins Detail gehen. Machen Sie sich bewusst, dass viele Informationen für Sie selbstverständlich sind, jedoch für einen Menschen aus einem anderen Kulturkreis zunächst neu und schwer zu verstehen sind.

    Nehmen Sie sich aus diesem Grund ausreichend Zeit und stellen Sie durch Rückfragen sicher, dass die Informationen bei der oder dem Bewerber angekommen sind.

    2. Ausstattung

    Die vom Betrieb gestellte Arbeitskleidung, ein Namensschild, Arbeitsgeräte, ein Arbeitsplatz usw. sollten schon vom ersten Ausbildungs- oder Praktikumstag an vorhanden sein. So fühlen sich die Jugendlichen von Anfang an ernst genommen und sind ihrerseits motiviert, ihren Beitrag zum Ausbildungserfolg zu leisten.

    3. Einführung in das Unternehmen

    Nehmen Sie sich Zeit, die Jugendlichen ausführlich ins Unternehmen einzuweisen. Gerade bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund ist das, je nach Vorbildung und Sprachniveau, häufig etwas aufwendiger, weil Dinge gegebenenfalls öfter erklärt werden müssen. Aber auch für jeden anderen Neuankömmling sind viele Dinge in Ihrem Betriebsalltag völlig fremd. Versuchen Sie, sich daran zu erinnern, wie es bei Ihnen zu Beginn Ihrer beruflichen Laufbahn war. Teilen Sie Informationen und Einführungen in kleinere "Pakete" auf und verbinden Sie sie mit den betrieblichen Abläufen. So vermeiden Sie, dass zu viele Informationen auf einmal den/die Bewerber/-in überfordern.

    4. Gemeinsame Aktivitäten

    Planen Sie gemeinsame Aktivitäten zwischen Auszubildenden und Ihnen als Ausbilder/-in zu Beginn des Lehrjahrs, die auch Freizeitelemente umfassen und so Gelegenheit bieten, sich gegenseitig schon früh auch außerhalb des Arbeitskontexts zu erleben. Eine Möglichkeit sind z.B. Kennenlerntage mit Team-Trainingselementen im Freien.

    5. Paten

    Stellen Sie den Jugendlichen einen Paten oder eine Patin zur Seite, damit gerade für die Anfangszeit eine feste, immer ansprechbare Vertrauensperson existiert. Ideal für diese Rolle sind Azubis aus dem gleichen Ausbildungsberuf, die sich schon in einem höheren Ausbildungsjahr befinden oder gleichaltrige erfahrene Mitarbeiter/-innen. Wenn Sie einen Paten oder eine Patin finden, der sich in der Muttersprache oder auf Englisch mit dem/der neuen Auszubildenden verständigen kann, umso besser.

    6. Anforderungen an die Möglichkeiten der Jugendlichen anpassen

    Jeder Mensch möchte Aufgaben bekommen, an denen er wachsen kann und für alle Auszubildenden gilt das Motto "fördern und fordern". Die im Ausbildungsrahmenplan zu vermittelnden Inhalte sollten in angemessenen Lernschritten durchgeführt werden. Aufgaben, die den Auszubildenden übertragen werden, sollten so an deren Voraussetzungen angepasst werden, dass sie einen "mittleren" Schwierigkeitsgrad haben.

    7. Regelmäßiges Feedback

    Nehmen Sie sich Zeit für regelmäßige Feedbackgespräche. Diese sollten vorher geplant werden und in einer ruhigen, entspannten Atmosphäre stattfinden. Auch die regelmäßige Abzeichnung des Berichtshefts kann hierfür eine gute Gelegenheit bieten. Besprechen Sie den Lernfortschritt, loben Sie ehrlich und bleiben Sie bei Kritik sachlich und konstruktiv. Die direkte Ansprache von Problemen ist in anderen Kulturen nicht immer üblich und kann für Flüchtlinge irritierend sein. Machen Sie deutlich, dass Kritik im Feedback nicht auf die Person abzielt und Sie den oder die Auszubildende per se unfähig halten, sondern nur eine bestimmte Arbeitssituation besprochen wird.

     
    Nutzen Sie solche Gespräche auch, um klare, anspruchsvolle und erreichbare Ziele zu vereinbaren. Bei Erreichung sollte immer eine Anerkennung in Form von Lob oder Wertschätzung folgen.

    Nutzen Sie das Gespräch aber auch, um sich nach dem Wohlergehen der Jugendlichen zu erkundigen, zeigen Sie echtes Interesse, nehmen Sie Sorgen und Nöte ernst und bieten Sie Unterstützung an, wenn dies möglich ist.

    8. Hilfestellung

    Wenn Sie im Feedbackgespräch feststellen, dass es Probleme im Praktikum oder in der Ausbildung gibt, bieten Sie Ihre Hilfe an. Besonders bei Schwierigkeiten mit dem Lernstoff in der Berufsschule können die Arbeitsagenturen oftmals mit sogenannten "ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH)" unterstützen. Der Senior Experten Service (SES) steht mit seiner Initiative zur Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen "VerA" ebenfalls zur Betreuung von Geflüchteten zur Verfügung.

  • Und was sollte ich sonst noch beachten?

    • Pflegen Sie einen freundlichen Umgangston und eine offene Kommunikation in Ihrem Unternehmen. Offene Kommunikation mit erfahrenen Kollegen, Kolleginnen und Vorgesetzten ist für viele Geflüchtete neu. Geben Sie jungen Flüchtlingen die Sicherheit, dass Offenheit kein Nachteil für sie ist.
    • Behandeln Sie andere immer so, wie Sie selbst behandelt werden möchten.
    • Motivieren Sie Ihre Auszubildenden.
    • Begeisterung ist ansteckend – nur wenn Sie und Ihr Ausbildungspersonal voll hinter dem Unternehmen und Ihrem Beruf stehen, können Sie dies auch von den Jugendlichen erwarten.
    • Betrachten Sie auch mal die Dinge aus der Sicht Ihrer Azubis - geflüchtete Jugendliche, die eine Ausbildung oder ein Praktikum beginnen können, stehen unter einem großen Druck, erfolgreich zu sein. Versuchen Sie durch positive Rückmeldung und Ermutigung, diesen Druck abzubauen. Sollte es Probleme geben, suchen Sie frühzeitig gemeinsam nach Lösungen. Ziel des Betriebs und der jungen Flüchtlinge ist, dass sie ihren Platz in Berufs- und Arbeitswelt finden.
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