Gesundheit ist mehr als nur die Abwesenheit von Krankheit. Sie ist "ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens", sagt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Das ist ein hoher Maßstab, dem Sie als Ausbilder/-in verpflichtet sind. Es geht um das Wohlbefinden der Auszubildenden - rundum.
Kennen Sie das Eisbergmodell? Es verdeutlicht, dass ein großer Teil eines Phänomens "unsichtbar" ist. Nur die Spitze ist zu erkennen, der Rest schwimmt unter Wasser. Dies wurde der Titanic zum Verhängnis. Übertragen auf das Thema Gesundheit im Betrieb gilt für die Siemens AG: Das obere ist Siebtel der Krankenstand unter den Mitarbeiter/-innen. Den großen, nicht sichtbaren Rest versteht das Unternehmen als nicht eingebrachtes Potenzial der anwesenden Mitarbeiter/-innen. Das Fazit: Je besser es gelingt, Beschäftigte - und in unserem Fall Auszubildende - zu beteiligen und so umfassend zu fördern, dass sie ihre Potenziale erkennen und einbringen, desto weniger werden krank.
Sie wollen gesund führen? Gehen Sie es an - und beginnen Sie mit dem, was nicht gleich ins Auge fällt.
Beginnen wir mit dem Istzustand. Was beeinträchtigt alles das Wohlbefinden? Das kann sein:
Wir haben es mit einer Mischung aus strukturellen, sozialen, inhaltlichen und persönlichen Einflüssen zu tun. Welche treffen für Ihren Bereich stärker zu? Und wie können Sie nun das Wohlbefinden steigern?
Gesundes Führen ist ein eigenständiger Führungsstil. Er unterscheidet sich deutlich vom ergebnisorientierten Führen und ist auch nicht rein mitarbeiterorientiert.
Zum gesunden Führen gehört:
1. sich selbst gesund zu führen
2. Auszubildende gesund zu führen
3. Teamarbeit gesund zu führen
4. die Produktions- oder Dienstleistungsprozesse gesund zu führen
Sie erinnern sich: Es geht um Wohlbefinden auf der ganzen Linie. Fangen Sie bei sich an! Nur was Sie selbst leben, nehmen Ihnen Ihre Azubis auch ab. Die Website www.gesund-fuehren.de macht dafür einige Vorschläge:
Können Sie alle Fragen bejahen? Dann sind Sie auf einem guten Weg des gesunden Führens. Und Sie können davon ausgehen, dass Ihre gesunde Art im positiven Sinne ansteckend ist.
Was haben Sie als Ausbilder/-in alles an Aufgaben zu stemmen? Sind Sie - neben der normalen Arbeit - für die Ausbildung im Unternehmen zuständig, wollen die Norm hochhalten, aber auch auf die Auszubildenden eingehen? Und am Ende des Tageswissen Sie oft nicht mehr, wo Ihnen der Kopf steht?
Klären Sie für sich Ihre Rolle. Was ist Ihr eigentlicher Auftrag? Und was sind Ihre zusätzlichen persönlichen Ansprüche? Wollen Sie eher Trainerin sein oder Wegweiser, Appetitmacher oder Anleiterin? Woran erkennen Sie eigentlich, dass Sie Ihre Arbeit des gesunden Führens gut gemacht haben? Setzen Sie sich Kriterien, an denen Sie sich selbst messen.
Gesundes Führen beinhaltet kooperative, situative, aber auch autoritäre und Laissez-fair-Anteile. Es geht um die angemessene Aufmerksamkeit gegenüber sich selbst, den Auszubildenden, der Gruppe und der Abteilung.
Natürlich gehört zu Ihrer Ausbilderverantwortung auch, auf die Rahmenbedingungen für eine gesunde Ausbildung zu achten. Welche kritischen Themen wagen Sie wirklich anzusprechen, in der Besprechung mit der Ausbildungsleitung und der Geschäftsführung? Und wer soll sich trauen, wenn nicht Sie?
Fragen Sie Ihre Auszubildenden regelmäßig, was für sie "Wohlbefinden im Betrieb" bedeutet - und was sie selbst dazu beizutragen bereit sind.
Wohlbefinden versteht sich physisch und psychisch. Sie werden dazu eine große Bandbreite an Vorstellungen von Ihren Auszubildenden hören. Vielleicht haben Sie nach einigen Jahren Betriebszugehörigkeit auch so etwas wie "blinde Flecken" entwickelt. Andere reden von Betriebsblindheit. Gehen Sie doch einmal bewusst mit dem Blick eines Außenstehenden durch Ihre Abteilung. Fragen Sie sich:
Machen Sie sich neben den altersspezifischen Eigenheiten auch die Vielfalt an Geschlecht und Kultur bewusst. Junge Frauen erleben Gesundheit anders als junge Männer. Gesundheitssendungen im TV werden mehr von Frauen gesehen, das Gleiche gilt für Beiträge im Internet. Der weibliche Umgang mit Krankheit ist häufiger mit Austausch und Kommunikation verbunden. Beim männlichen Geschlecht hingegen besteht weiterhin die Tendenz, die Dinge allein mit sich auszumachen, zu bagatellisieren und zu verdrängen - oder zu betäuben.
Auch die Faktoren der Krankheitsneigung unterscheiden sich: Die Gesundheit von Männern leidet eher dann, wenn sie unter Dauerstress im beruflichen Kontext stehen. Frauen erkranken eher, wenn sie nicht in ein soziales Netzwerk eingebunden sind.
Sie als Ausbilder/-in - und damit als praktische/-r Jugendforscher/-in - werden je nach Beruf und Region weitere Eigenheiten herausfinden. Lassen Sie Ihre Thesen und Erkenntnisse durch die Auszubildenden überprüfen. Etwa auf diese Weise: "Manchmal habe ich den Eindruck, in eurem Azubi-Team … Wie ist das für euch?"
Führen Sie durch Fragen! Achtsamkeit und Neugier übertragen sich auf andere. Rechthabenwollen - auf der anderen Seite - ebenfalls. Aber davon sind Sie ja inzwischen weit entfernt.
Nicht alle Belastungen lassen sich abstellen. Das muss auch nicht sein. Eine Belastung kann zur Herausforderung werden - wenn es Ihnen und den Auszubildenden gelingt, Ich-Stärke aufzubauen, Entspannungstechniken einzuüben, in der Freizeit auf körperliche Kondition zu achten. Und wenn die Belastung ausgeglichen wird durch:
Auch Auszubildende wissen, dass Ausbildung und Arbeit generell nicht nur Schönwetter bedeuten. Aber sie wollen gedanklich mitgenommen werden. Gerade für die heutigen Auszubildenden sind Kommunikation und das Gefühl, beachtet zu werden, von enormer Bedeutung. Dann zeigen sie auch mehr Verantwortungsbereitschaft und Eigeninitiative.
Laden Sie Auszubildende und Vorgesetzte für eine halbe Stunde zu sich ein - gemeinsam und jeden Monat einmal. Hier treffen Sie Vereinbarungen. Handeln Sie aus, thematisieren Sie Ihre Vorschläge (und die dafür nötige finanzielle Unterstützung), entwerfen Sie Ihre Vorstellung von einem zufriedeneren Arbeiten und werben Sie dabei für die Unterstützung der Auszubildenden.
Installieren Sie zugleich eine aktive, lösungsorientierte Auszubildendenvertretung. Diese sorgt zusätzlich für eine stärkere Zufriedenheit und fungiert bei vertrauensvoller Zusammenarbeit und möglichen Schwierigkeiten aufseiten der Azubis zudem als Frühwarnsystem.
Und jetzt: Genug gelesen. Kurze Pause. Lächeln!
Der Check "Gesundheit" der Initiative "Neue Qualität der Arbeit" (INQA) zeigt, wie Unternehmen die Gesundheit ihrer Beschäftigten fördern und nutzen können: www.inqa.de/DE/Angebote/Handlungshilfen/Gesundheit/INQA-Check-Gesundheit.htm
Die "Unternehmensberatung für betriebliches Gesundheitsmanagement" (UBGM) hat einen Online-Leitfaden für gesundes Führen veröffentlicht: www.gesundheitsmanagement24.de/praxisleitfaeden-checklisten/gesund-fuehren/
Die Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern bieten bundesweit Fortbildungen zum gesunden Führen an.