Krankmeldung

  • Das Phänomen Krankmeldung

    Manche Ausbilder/-innen können ein Lied davon singen, welche Antworten sie von Auszubildenden zu hören bekommen: "Ich hab‘ doch angerufen, aber da ist niemand rangegangen!" oder: "Ja, ich habe den Krankenschein abgeschickt - ist er noch nicht da?" Nicht selten fehlen Auszubildende auch auffällig häufig montags, freitags oder an Brückentagen. Ausbilder/-innen stehen vor der Frage, was sie ihren Auszubildenden mit langen krankheitsbedingten Fehlzeiten, die das Gelingen der Ausbildung gefährden, vermitteln können.

  • Mögliche Sichtweisen von Auszubildenden

    Auszubildenden fällt es mitunter schwer, sich auf die Anforderungen des Betriebs einzustellen. Junge Menschen sind in einer stark digital geprägten Welt aufgewachsen. Online-Bestellungen und Apps sind so einfach und intuitiv zu bedienen, dass ein Nachdenken über die Abläufe kaum nötig scheint. Digitale Medien und Kommunikationselektronik sind meist so programmiert, dass die Informationen jeweils an der richtigen Stelle ankommen.

    Betriebe funktionieren anders. Da wird nicht jeder Anruf automatisch durchgestellt. Auszubildende sind hier gefordert, selbst die richtige Nummer der zuständigen Person herauszusuchen und enn nötig mehrfach anzurufen, bis der/die Ausbilder/-in den Anruf annimmt.

    Mögliche Gründe für versäumte Krankmeldungen:

    • Auszubildenden mit starkem Zugehörigkeitsbedürfnis kann es peinlich sein, nicht im Betrieb sein zu können.
    • Auszubildende mit stark normativer Orientierung sind selbst enttäuscht, für ein paar Tage nicht "normal", sondern krank zu sein.
    • Kreative Auszubildende schließen manchmal von sich auf andere und setzen eine große Flexibilität auch bei den Regularien zur Krankmeldung voraus.
    • Unsicheren Auszubildenden kann es schwerfallen, Sie als ihren Vorgesetzten anzurufen. Die Hürde anzurufen wird noch größer, wenn die Ausbildungsbeziehung nicht intakt ist.
    • Eher introvertierten Jugendlichen fällt das Telefonieren nicht leicht (außer mit Familie und Freunden). Lieber "basteln" sie zehn Minuten an der richtigen Formulierung per SMS.
  • Krankmeldung: Welche Regelungen gelten?

    Als oberste Regel gilt: "Auszubildende haben sich zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist." (Berufsbildungsgesetz § 13) Sie müssen ausdrücklich Weisungen befolgen und die geltende Ordnung der Ausbildungsstätte beachten.

    Als Ausbilder/-in können Sie sich auf die folgenden festen Regelungen beziehen:

    1. Krankmeldung:
    Wenn Auszubildende körperlich oder psychisch nicht in der Lage sind zu arbeiten, müssen sie dies am gleichen Tag vor Ausbildungsbeginn mitteilen. Sie als Ausbilder/-in entscheiden, an wen die Mitteilung gehen soll (ob an Sie oder an die Personalabteilung). Und Sie entscheiden auch über die Art der Mitteilung (per Anruf, E-Mail oder SMS).

    2. Attest:
    Sind Auszubildende länger als drei Kalendertage krank, so muss spätestens am vierten Kalendertag ein ärztliches Attest vorliegen. Das ist die Höchstgrenze. Sie können davon abweichen und ein Attest auch zeitiger verlangen - zum Beispiel nach dem ersten oder zweiten Krankheitstag. Sie können auch gezielt bei einzelnen Auszubildenden strengere Regeln anordnen bzw. mündlich oder schriftlich vereinbaren. Die Vereinbarung wird zur Anweisung, auch wenn Auszubildende nicht zustimmen.
    Auszubildende sind verantwortlich dafür, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (der Krankenschein) im Betrieb rechtzeitig an der richtigen Stelle und in der angeforderten Form ankommt. Eingebürgert hat sich vielfach, dass Auszubildende die Krankschreibung oder das ärztliche Attest abfotografieren und sofort per E-Mail an den Betrieb schicken und danach in die Post geben.

    3. Krankmeldung sowie Arztbesuche während der laufenden Arbeit:
    Werden Auszubildende während der Arbeitszeit krank, müssen sie sich bei Ihnen abmelden. Gibt es für einen planbaren Arztbesuch nur einen Termin während der Arbeitszeit, so sollen Auszubildende dies rechtzeitig vorher mit Ihnen absprechen und im Anschluss eine Bestätigung des Arztbesuchs vorlegen.

    4. Krankmeldung an Berufsschultagen:
    Zusätzlich zur Krankmeldung im Betrieb müssen sich Auszubildende in der Berufsschule entschuldigen. Hier gelten die Vorgaben der Lehrkräfte.

    5. Krankmeldung während des Urlaubs:
    Melden sich Auszubildende während des Urlaubs krank, so werden ihnen die Tage gutgeschrieben und sie können die Urlaubstage zu einem späteren Zeitpunkt nehmen.

  • Das geht ja so gar nicht! Was tun, wenn die Krankenschreibung zu spät oder gar nicht kommt?

    Wie reagiere ich, wenn Auszubildende nicht oder zu spät anrufen? Wenn die Krankenschreibung zu spät, zu oft oder gar nicht kommt? Als Ausbilder/-in stehen mir zwei Wege zur Verfügung: der persönliche und der formale.

    Auf dem persönlichen Weg suchen Sie das Gespräch. Gemeinsam versuchen Sie herauszufinden, was los ist. Bestehen Probleme am Arbeitsplatz, die zu häufiger Krankmeldung führen? Dann überlegen Sie zusammen mit dem Azubi, was sich daran ändern lässt. Gibt es eine Ursache im privaten Umfeld? Dann finden Sie heraus, wo und wie ihr Azubi passende Unterstützung bekommen kann.

    Stimmt die Ausbildungsbeziehung, dann steigt auch die Chance, dass Auszubildende mitteilen, was es mit den gelben Zetteln wirklich auf sich hat. Vielleicht ist ja ein Elternteil pflegebedürftig oder sie sind generell unzufrieden mit bestimmten Abläufen. Voraussetzung für diesen Weg ist eine stabile Ausbildungsbeziehung mit Vertrauen und Verantwortung.

    Auf dem formalen Weg verweisen Sie nur auf die gesetzlichen Abläufe und Reaktionen. Damit sind Sie arbeitsrechtlich auf der sicheren Seite. Die Gefahr ist aber groß, Auszubildende zu verlieren. Auch ein innerer Rückzug ("innere Kündigung") des Auszubildenden hat weitreichende Folgen für Motivation sowie Ausbildungszufriedenheit und -erfolg. Mitunter kann eine Abmahnung zielführend sein, um die Wichtigkeit der Regeln zu verdeutlichen, und helfen, das Verhalten zu verändern. Bei fehlendender Krankschreibung können Sie veranlassen, dass den fraglichen Auszubildenden keine Ausbildungsvergütung mehr ausgezahlt wird. Liegt das Attest dann vor, wird das Geld nachgezahlt.

    Dieses Vorgehen erfordert eine rechtliche Absicherung und eine berechenbare Form, die auch bei einer Kündigung bzw. deren Anfechtung vor Gericht Bestand hat. Die Ausbildungsberatungsstellen der zuständigen Stellen (Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer usw.) können Sie unterstützen.

    Als Erfahrungswert gilt: Reagieren Sie bei Fehlverhalten von Auszubildenden so zeitig wie möglich. Warten Sie nicht lange oder hoffen, dass sich der Azubi ändert. Das geschieht nur, wenn Sie dranbleiben - verbindlich, freundlich, wertschätzend und klar.

    Vielleicht stellt sich auch heraus, dass die gewählte Ausbildung doch nicht die richtige für den/die Auszubildenden ist. Das kommt vor - mehr als jeder fünfte Ausbildungsvertrag wird inzwischen vorzeitig gelöst. Suchen Sie in diesem Fall Unterstützung bei Ihrer zuständigen Stelle. So kann der Übergang für beide Seiten fachlich, sachlich und persönlich sauber verlaufen. Auch hiermit stellen Sie Ihre Kompetenz und Verantwortung als Ausbilder/-in unter Beweis.

    Verhandlungsspielräume
    Werden Krankmeldungen per SMS oder Whatsapp anerkannt? Wo sind die Grenzen von Vertrauen und Kontrolle? Manche betriebliche Regelung wirkt vielleicht auch für Sie etwas altbacken und nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Machen Sie sich dafür stark, überholte Abläufe zu überprüfen.

    Abzuwägende Argumente sind:

    • Welche Möglichkeiten bieten Smartphone und Co., die Abläufe einfacher, schneller und mitarbeiterorientiert zu gestalten?
    • Wie sind Datenschutz und das digitale Leben der Jugendlichen miteinander vereinbar?
    • Wie verändern sich die Chancen eines modernen Unternehmens bei der Suche nach potenziellen Auszubildenden und Fachkräften?
  • Flüchtlinge: Was ist bei geflüchteten Auszubildenden zu beachten?

    Auszubildende mit Fluchterfahrung bringen viele Sondererfahrungen mit - in der Regel auch die Fähigkeit, sich in kurzer Zeit auf neue Situationen einzustellen. Zu den örtlichen, sprachlichen und kulturellen Veränderungen kommen die regulatorischen Besonderheiten der Ausbildung hinzu.

    Hier muss ich als Ausbilder/-in etwas weiter ausholen und mehr erklären. Eine gesetzliche Krankenversicherung ist in vielen afrikanischen und asiatischen Ländern unbekannt. Dass ich als Auszubildende/-r bei Krankheit das Recht habe, bezahlt zu Hause zu bleiben, ist nicht allen geläufig. Hier muss ich vielleicht sogar ermutigen, dieses Recht auch zu nutzen. Beschreiben Sie, wofür es aus Ihrer Sicht gut ist, sich richtig auszukurieren.

  • Erfragen und prüfen Sie bei Ausbildungsbeginn unbedingt, ob eine Krankenversicherung besteht!

    Über den Einzelfall hinaus
    Informieren Sie Ihre Auszubildenden gleich in der ersten Woche ausführlich darüber, was Sie bei Arbeitsunfähigkeit zu tun haben. Machen Sie das gründlich und im Zweifelsfall lieber mehrmals. Geben Sie erst Ruhe, wenn Sie sicher sind, dass alle Auszubildenden die Regeln sowie die dahinterstehenden Gründe verstanden haben. Gehen Sie sicher, dass alle Infos, die Sie den Azubis geben, auch im gesamten Unternehmen üblich und gültig sind. Nichts ist schwerer zu beantworten als die Frage: "Warum soll ich das tun, wenn es die anderen auch nicht machen müssen?"

    Nutzen Sie bei deutlich abweichendem Arbeitsverständnis die arbeitsrechtlichen Möglichkeiten der Probezeit. Nach der Probezeit wird sich Ihr "Kollege in Ausbildung" zu Recht darauf berufen können, dass er doch bisher damit durchgekommen sei.

  • Hier finde ich Hilfe: Informationen, externe Unterstützungs- und Beratungsangebote

    Die IHK Düsseldorf informiert auf ihrer Website über Details und Sonderregelungen rund um Krankheit und Arbeitsunfähigkeit: www.duesseldorf.ihk.de/Ausbildung/ausbildung/Ausbildung_von_A-Z/Krankheit_Arbeitsunfaehigkeit/2596750

    Unter www.abmahnung.org/ausbildung/ gibt es Hintergrundinfos zum Thema Abhandlung, über Formfragen und Fallstricke sowie Vorlagen für Abmahnungen.

    Im Ausbilderforum www.foraus.de des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) können Ausbilder/-innen sich über Fragen rund um die Ausbildung austauschen.

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