Wenn Sie Sprachzertifikate vorgelegt bekommen oder Sie Ihre Azubis nach deren Sprachkompetenzen fragen, werden häufig Formulierungen wie "Niveau A1", "Niveau B2" oder auch "Niveau C1" verwendet.
Hier finden Sie einige Hinweise über die Grundlage für die Einteilung in diese Niveaustufen und darüber, was sie konkret über die Sprachkenntnisse Ihrer Azubis aussagen.
Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER) wurde vom Europarat entwickelt und erschien 2001 in der deutschen Übersetzung. Er befasst sich, so die Beschreibung auf der GER-Website, "mit der Beurteilung von Fortschritten in den Lernerfolgen bezüglich einer Fremdsprache. Ziel ist, die verschiedenen europäischen Sprachzertifikate untereinander vergleichbar zu machen und einen Maßstab für den Erwerb von Sprachkenntnissen zu schaffen."
Der große Nutzen des GER ist: Die sehr detailliert formulierten Kann-Beschreibungen des Referenzrahmens ermöglichen es, sowohl Inhalte für Sprachkurse als auch Sprachprüfungen danach auszurichten. Heute orientieren sich alle gängigen Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache (DaF) und Deutsch als Zweitsprache (DaZ) und auch die anerkannten Sprachprüfungen wie etwa das Zertifikat Deutsch B1 (Goethe Institut) oder der Deutschtest für Zuwanderer (Telc) an den Niveaustufen des GER.
Der Referenzrahmen beschreibt detailliert die Kompetenzen in der jeweiligen Sprache für die Bereiche Hören, Lesen, Schreiben, Sprechen und teilt diese in Niveaustufen ein.
Die grundlegenden Niveaustufen des GER sind:
A: Elementare Sprachverwendung
B: Selbstständige Sprachverwendung
C: Kompetente Sprachverwendung
Um zu verdeutlichen, was sich hinter diesen abstrakten Begriffen verbirgt, folgen hier einige konkrete Beispiele. Sie sind dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen entnommen.
A1 - Anfänger
A2 - Grundlegende Kenntnisse
B1 - Fortgeschrittene Sprachverwendung
B2 - Selbstständige Sprachverwendung
C1 - Fachkundige Sprachkenntnisse
C2 - Annähernd muttersprachliche Kenntnisse
Die aufgeführten Kompetenzen beziehen sich auf den allgemeinen Spracherwerb. In der Broschüre "Arbeitsplatz Europa: Sprachkompetenz wird messbar" des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) wurden sie für die am Arbeitsplatz erforderlichen Sprachkompetenzen adaptiert.
Hier heißt es zum Beispiel für das Niveau B 1 für den Bereich "Sprechen":
(Quelle: Arbeitsplatz Europa: Sprachkompetenz wird messbar, 4. Aufl. 2014, S. 13)
Einen etwas anderen, vereinfachten Blick auf den Referenzrahmen ermöglicht das folgende Raster. Es folgt ebenfalls der Perspektive der aktiven sprachlichen Fähigkeiten für berufliche Kontexte:
GER-Stufen | Information | Formulierung | Handlung |
---|---|---|---|
Fortgeschrittenen- Stufe -competenter user- | C2 komplex C1 | eigene/individuelle Formulierung | steuern moderieren strukturieren verhandeln präsentieren... |
Mittelstufe -independent user- | B2 umfassend B1 | zunehmend eigene individuelle Formulierung | klären/lösen ändern erläutern zusammenfassen bearbeiten beschreiben vergleichen... |
Grundstufe -basic user- | A2 einfach A1 | nach vorgegebenen/ bekannten Mustern | ergänzen erfragen... |
(Quelle: Szenarien im berufsbezogenen Unterricht Deutsch als Zweitsprache, S. 12)
Dieses Raster macht deutlich, dass Ihre Auszubildenden nicht immer alle für die Ausbildung notwendigen Kommunikationssituationen problemlos bewältigen können, wenn sie keine weitere sprachliche Unterstützung erhalten. Das kann auch der Fall sein, wenn sie das Niveau B 1 oder auch B 2 schon erreicht haben. Insbesondere das Verstehen von Fachtexten oder auch das Formulieren komplexer Sachverhalten stellt häufig eine Herausforderung für sie dar.
Der gemeinsame Europäische Referenzrahmen bietet zwar eine Orientierung und Unterstützung für Sie als Ausbilder/-in und auch für die Auszubildenden selbst. Er sollte aber nicht streng normativ ausgelegt werden. Wie Sie wahrscheinlich aus eigener Erfahrung wissen, findet jeder Mensch unterschiedlich gut und schnell Zugang zu einer Fremd- oder Zweitsprache und den Fertigkeiten Hören, Lesen, Schreiben und Sprechen. (Weitere Informationen dazu finden Sie im Artikel "Hast du keinen Mülleimer?" von Christina Kuhn.)
Konkret heißt das, dass sich die sehr allgemein formulierten Niveaustufen nicht ohne Weiteres auf die Kommunikation in Ihrem Betrieb und die dort erforderlichen sprachlichen Kompetenzen übertragen lassen. Wenn Sie Ihre Azubis am und für seinen Ausbildungsplatz sprachlich weiter fördern möchten, unterstützen Sie sie am besten durch Sprachkurse, die sich an konkreten arbeitsplatzspezifischen Situationen orientieren – und nicht allein an strikt ausgelegte Niveaustufen.
Szenario-Methode
Eine solche gezielte Sprachförderung ist zum Beispiel mithilfe der Szenario-Methode möglich. Ein Sprachtraining, das auf dieser Methode basiert, trainiert in passgenauen Aufgaben genau die sprachlichen Situationen, die für die Arbeitsabläufe in Ihrem Betrieb wichtig sind. Welche Situationen typisch und welche sprachlichen Handlungen erforderlich sind, wird vorab mit Ihnen besprochen und mit den bereits vorhandenen sprachlichen Kompetenzen der Azubis abgestimmt.
So kann ein Szenario zum Beispiel das Thema "Gespräche mit Kundinnen und Kunden" aufgreifen und die dazu erforderlichen sprachlichen Mittel, wie Grammatik und Wortschatz, gezielt trainieren. Zu diesem Szenario gehören dann etwa: Telefonat mit einem Kunden, Bestellung eines Ersatzteils per E-Mail, Nachfragen beim Meister und Dokumentation des Reparaturverlaufs (vgl. hierzu Eilert-Ebke/Sass: Der Szenario-Ansatz in der berufsbezogenen Sprachförderung, 2016, und: Szenarien im berufsbezogenen Unterricht Deutsch als Zweitsprache-Unterricht, 2014).
Persönliches Sprachprofil
Bei der täglichen Arbeit mit Ihren Azubis sollten Sie darüber hinaus berücksichtigen, dass jeder Mensch sein ganz persönliches Sprachprofil hat, das sich nicht einfach in ein Raster pressen lässt. So hängt es von der Muttersprache, weiteren Fremd- oder Zweitsprachenkenntnissen, der Schulbildung, der kulturellen Prägung, der Persönlichkeit und nicht zuletzt von der Motivation und der Freude am Erlernen des Berufs ab, wie schnell Ihre Auszubildenden die sprachlichen Kompetenzen erwerben, die sie für eine erfolgreiche Ausbildung benötigen.
Weitere Informationen dazu finden Sie im Wissensbaustein Sprachförderung während der Ausbildung.
Christina Kuhn: Hast du keinen Mülleimer? - Der GER im Spannungsfeld von Arbeitsalltag und Sprachenpolitik PDF-Datei zum Herunterladen: http://www.deutsch-am-arbeitsplatz.de/kuhn_ger.html (11.12.2016)
Gabriele Eilert-Ebke, Anne Sass, Der Szenario-Ansatz in de berufsbezogenen Sprachförderung, in: Sprache im Beruf, BWP, 6/2016
DIHK, Arbeitsplatz Europa: Sprachkompetenz wird messbar: In dieser Broschüre finden Sie detaillierte Informationen zu den Niveaustufen des europäischen Referenzrahmens im Kontext Arbeit und Beruf
Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen: http://www.europaeischer-referenzrahmen.de/ (12.12.2016)
oder ausführlichere kommentierte Fassung:
http://www.goethe.de/Z/50/commeuro/i0.htm (12.12.2016)
Bestellung der Printausgabe (4. Auflage 2014): https://www.dihk-verlag.de/arbeitsplatz_europa_deutsch_525500.html
PDF-Datei zum Herunterladen (3. Auflage 2007) https://www.duesseldorf.ihk.de/blob/dihk24/Weiterbildung/downloads/2595296/c1099d8fb8540844c23af53ad9d0c373/M6_Arbeitsplatz_Europa_Sprache-data.pdf
Szenarien im Berufsbezogenen Unterricht Deutsch als Zweitsprache: Grundlagen, Anwendungen, Praxisbeispiele, hrsg. von der Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch, Hamburg 2014, PDF-Datei zum Herunterladen: http://www.netzwerk-iq.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/IQ_Publikationen/Thema_Sprachbildung/BD_Szenarien_2014_web.pdf