Seit 2005 wird es Auszubildenden aus allen Berufsbranchen ermöglicht, im Rahmen ihrer beruflichen Ausbildung bis zu einem Viertel der Ausbildungszeit ihrer Ausbildung im Ausland zu verbringen (gem. § 2 Abs. 3 BBiG).
Das heißt, rechtlich steht es Unternehmen frei, ihre Auszubildenden ins Ausland zu entsenden. Auslandsaufenthalte bringen nicht nur Auszubildenden fachliche und persönliche Bereicherung, sondern fördern auch den Betrieb: Sie sind eine gute Möglichkeit, um zukünftige Arbeitskräfte für eine Ausbildung zu gewinnen, zu motivieren, zu binden, die Attraktivität des Betriebs zu steigern sowie die Wettbewerbsfähigkeit durch international qualifizierte Fachkräfte zu sichern.
Außerdem erwerben die Auszubildenden im Ausland fachliche Zusatzqualifikationen, ebenso wie sprachliche und interkulturelle Kompetenzen, die insbesondere im Kontakt mit Kunden vorteilhaft sind. Diese Fähigkeiten, Kompetenzen und Qualifikationen können in einem Europass dokumentiert und genau nachvollzogen werden.
Bevor Ihre Auszubildenden ins Ausland gehen, sollte die Finanzierung geklärt sein. Als Ausbildungsbetrieb sind Sie verpflichtet, auch während des Auslandsaufenthaltes Ihres Auszubildenden die Ausbildungsvergütung zu zahlen. Entstehende Reise- und Aufenthaltskosten müssen Sie jedoch nicht erstatten. Es gibt für die Auszubildenden Möglichkeiten, durch europäische Förderprogramme einen Zuschuss für die Hin- und Rückreise, Unterkunft, Transport vor Ort sowie die Vorbereitung und Teilnahme an kulturellen Aktivitäten zu erhalten. Welche Förderprogramme für Ihren Auszubildenden in Frage kommen, können Sie unter "Hier finde ich Hilfe" am Ende dieses Wissensbausteins nachlesen.
Es gibt keine zeitlichen Vorgaben bezüglich der Durchführung des Auslandsaufenthaltes. Bei der Nutzung eines Förderprogrammes gibt es aber eine Mindestaufenthaltsdauer. Es empfiehlt sich, den Azubi in der Zeit nach der Zwischenprüfung sowie während der Sommerpause oder der Betriebsruhe freizustellen, um eventuelle Ausfälle im Betrieb besser kompensieren zu können. Die berufsschulfreie Zeit bietet sich ebenfalls für einen Auslandsaufenthalt an, denn sonst muss gewährleistet werden, dass der Azubi den versäumten Unterrichtsstoff nachholt. Der Urlaub des Azubis darf jedoch nicht für den Auslandsaufenthalt eingesetzt werden.
Die Länge und der Zeitpunkt für den Auslandsaufenthalt sollten vorab geklärt und mit der Berufsschule abgestimmt werden. Außerdem sollte eine Freistellung beantragt worden sein.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Betrieb über eigene Betriebskontakte im Ausland verfügt, z. B. wenn dieser Waren oder Werkzeuge exportiert oder importiert. Einzelne Bereiche oder Personen im Unternehmen haben vielleicht Kontakt zu Unternehmen im Ausland, die als Gastbetrieb infrage kommen. Manchmal bieten aber auch private Kontakte aus dem Urlaub einen Anknüpfungspunkt, um einen Gastbetrieb zu finden. Vor dem Auslandsaufenthalt sollte immer ein Kooperationsvertrag mit dem Gastbetrieb abgeschlossen worden sein.
Mittlerweile organisieren viele Berufsschulen einen Auslandsaufenthalt für ihre Auszubildenden. Daher kann die Kooperation mit der Berufsschule nicht nur wichtige Unterstützung bieten, sondern auch Partner bei der Umsetzung sein.
Wenn Sie bei der Klärung Ihrer Fragen unterstützt werden möchten, helfen Ihnen die Mobilitätsberater der Kammern gerne weiter: www.mobilitaetscoach.de
Vor dem Auslandsaufenthalt:
Eine gute Vorbereitung trägt wesentlich zum Erfolg des Auslandsaufenthaltes bei. Es lohnt sich also, genug Zeit in die Vorbereitung und Planung zu investieren.
1. Auswahl der Auszubildenden:
Die wichtigsten Kriterien für Auszubildende, die einen Auslandsaufenthalt absolvieren möchten, sind Interesse und Motivation. Daneben können für die Auswahl entscheidend sein: Bereitschaft zur Veränderung und Selbstständigkeit, überdurchschnittliche Leistung während der Ausbildung, Grundkenntnisse der entsprechenden Landessprache oder einer Brückensprache (meist Englisch), Zuverlässigkeit, Engagement und Selbstvertrauen.
2. Absprachen mit dem Gastbetrieb:
Formulieren Sie gemeinsam mit Ihrem Auszubildenden realistische Ziele, die in der anvisierten Zeit, in dem bestimmten Land und in dem ausgewählten Betrieb sowie vor dem Hintergrund der sprachlichen, fachlichen und persönlichen Voraussetzungen des Auszubildenden realisierbar sind.
Nehmen Sie Kontakt zu einem Gastbetrieb im Ausland auf und informieren Sie diesen über Ihr Interesse an einem Austausch. Führen Sie mit der dort zuständigen Person ein Gespräch zur Umsetzbarkeit der im Vorfeld definierten Lernergebnisse. Vereinbaren Sie weiterhin, wie das Erreichen der angestrebten Lernergebnisse bewertet wird (s. unter "Hier finde ich Hilfe"). Stimmen Sie die Arbeitsbereiche, Arbeitsbedingungen wie z. B. Arbeitszeiten sowie mögliche Freizeit- und kulturelle Programme im Gastland mit dem Gastbetrieb ab.
3. Abschließen einer Partnerschaftsvereinbarung:
Im nächsten Schritt schließen Sie eine Partnerschaftsvereinbarung ab, in der die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit definiert werden. Für die Partnerschaftsvereinbarung stehen europaweit einheitliche Formulare zur Verfügung (s. unter "Hier finde ich Hilfe"). Zum Nachweis des Austausches benötigen Sie eine Mustervereinbarung sowie ein Europassformular. Wählen Sie in Ihrem Betrieb eine Person aus, die durchgehend die Organisation und Umsetzung des Auslandsaufenthaltes betreut und dem Gastbetrieb als Ansprechpartner dient.
4. Reise- und Aufenthaltsangelegenheiten:
Nachdem die Partnerschaftsvereinbarung mit dem Gastbetrieb unterschrieben und alle Maßnahmen zur Vorbereitung und Finanzierung getroffen worden sind, können Sie die Unterkunft und Transportmittel buchen sowie ggf. eine Auslandskrankenversicherung, private Haftpflichtversicherung sowie eine private Unfallversicherung durch den Auszubildenden abschließen lassen. Empfehlenswert ist es, vor dem Abschließen der verschiedenen Versicherungen zu prüfen, welche erforderlich sind und ob bereits vorhandene Versicherungen auch im Ausland gültig sind. Weitere Informationen erhalten Sie unter "Hier finde ich Hilfe".
5. Sprachliche und interkulturelle Vorbereitung:
Es empfiehlt sich, Auszubildende, die ins Ausland gehen wollen, für die fremde Kultur des Gastlandes zu sensibilisieren und auf eventuelle Konflikte vorzubereiten. Lassen Sie Ihre/n Auszubildende/-n z. B. eine Präsentation über "Land und Leute", Begrüßungsformen, sowie über kulturelle Besonderheiten und "Fettnäpfchen" im Gastland halten. Besprechen Sie mögliche Konflikte und Krisen während des Auslandsaufenthaltes und entwickeln Sie gemeinsam Lösungsmöglichkeiten für die einzelnen Szenarien. Diese Vorgehensweise hilft Ihrem Auszubildenden, auf unerwartete Ereignisse vorbereitet zu reagieren. Die sprachliche Vorbereitung kann in verschiedenen Formen erfolgen: an der Volkshochschule durch einen Intensivsprachkurs oder durch die Nutzung von Lernsoftware und Onlineangeboten.
Vereinbaren Sie mit dem Auszubildenden, dass dieser seinen Auslandsaufenthalt dokumentiert. Die Lernergebnisse können in einem Arbeitsheft festgehalten werden, Eindrücke und Erfahrungen während des Praktikums im Gastbetrieb sowie die kulturellen Ausflüge können am besten in Form von Präsentationen mit Fotos und Zitaten wiedergegeben werden.
Während des Auslandsaufenthaltes:
Betreuung und Hilfestellung:
Nicht immer läuft alles wie geplant. Daher ist es besonders wichtig, dass Auszubildende während des Auslandsaufenthaltes nicht allein gelassen werden. Es ist empfehlenswert, in regelmäßigen Abschnitten (alle zwei Tage oder wöchentlich, je nach Bedarf) telefonisch, per E-Mail oder Skype das Wohlbefinden des Auszubildenden zu erfragen. "Läuft alles im Gastbetrieb wie vereinbart?", "Gibt es große sprachliche oder kulturelle Barrieren?", "Wie meisterst du die unvorhergesehenen Herausforderungen?"
Sprechen Sie auch mit dem Betreuer im Gastbetrieb: "Wie verhält sich der/die Auszubildende?", "Erscheint er/sie pünktlich?", "Zeigt er/sie sich weiterhin motiviert und interessiert?" Es ist immer ratsam, die Situation vor Ort aus zwei Perspektiven zu betrachten, um ein umfassendes Bild über die Lage und den Verlauf zu erhalten und um im Bedarfsfall entsprechend reagieren zu können.
Es ist empfehlenswert, neben den bereits erwähnten Kommunikationsmöglichkeiten auch eine Liste mit wichtigen Kontakten in Deutschland und im Gastland zu erstellen.
Bewertung und Dokumentation von Lernergebnissen:
Sie haben im Vorfeld mit dem Auszubildenden und dem Gastbetrieb Lernergebnisse definiert. Diese sollen die Transparenz des im Ausland Gelernten fördern, um für sich und den eigenen Betrieb bewusst zu machen, was der Nutzen des Auslandsaufenthaltes für die Beteiligten ist. Diese Lernergebnisse werden während des Auslandsaufenthaltes durch den Ausbilder im Gastbetrieb oder durch Selbstreflexion des Auszubildenden bewertet. Da die Inhalte des Auslandsaufenthaltes nicht hundertprozentig vorhersehbar sind, besteht die Möglichkeit, die geplanten Lernergebnisse bereits während des Auslandsaufenthaltes nach Erfordernis anzupassen oder weitere Lernergebnisse hinzuzufügen. Eine genaue Übersicht des Gelernten hilft dem Auszubildenden dabei, persönliche, sprachliche und fachliche Kompetenzen für den weiteren Werdegang sichtbar und auch für Dritte verständlich zu machen. Diese Lernergebnisse sollten Sie im Europass dokumentieren (mehr zum Europass s. unter "Hier finde ich Hilfe").
Nach dem Auslandsaufenthalt:
Nach der Rückkehr des Auszubildenden ist der Auslandsaufenthalt auszuwerten. Organisieren Sie eine Veranstaltung, bei welcher der Auszubildende über seine persönlichen und beruflichen Erfahrungen im Ausland berichten kann. Er kann als Botschafter für weitere Auszubildende dienen, die sich durch die Erzählungen für einen Auslandsaufenthalt begeistern können. Bei der Veranstaltung oder im Rahmen eines Einzelgesprächs können Sie z. B. folgende Fragen thematisieren: "Was hat der Auslandsaufenthalt für den Auszubildenden, Ihren Betrieb und den Gastbetrieb gebracht?", "Was hat der Auslandsaufenthalt für den Auszubildenden fachlich, aber auch persönlich gebracht?", "Was wird seitens der Beteiligten positiv und negativ bewertet?", "Welches Fazit kann für zukünftige Aufenthalte gezogen werden?"
Im Rahmen einer feierlichen Übergabe des Europasses kann der Auszubildende für seine Leistung im Ausland gewürdigt werden. Gleichzeitig sollten Sie nicht vergessen, Ihre Bereitschaft als Betrieb in einer Pressemitteilung oder in einem Artikel auf der Internetseite beziehungsweise in der Betriebszeitung zu erwähnen. Dem Motto "Tue Gutes und sprich darüber" folgend, erhalten Sie als Betrieb nicht nur Attraktivitätspunkte für zukünftige Bewerber, sondern auch eine höhere Anerkennung im Umfeld und in der Gesellschaft.
Europäische Förderprogramme:
Partnersuche im Ausland:
Beratung und weiterführende Weiterbildungsseminare zur Organisation von Auslandsaufenthalte: