Sie kennen das aus Erfahrung: jede/-r Auszubildende geht unterschiedlich mit Lern- und Arbeitsaufgaben um und zeigt Stärken und Schwächen eher in der Theorie oder in der Praxis. Das gilt auch für Geflüchtete in der Ausbildung.
Jede Berufsbranche hat ihre eigenen bevorzugten Lerntypen und jeder Ausbilder und jede Ausbilderin bevorzugte Unterrichtsmethoden. Um die unterschiedlichen Lerntypen in der theoretischen und praktischen Unterweisung zu erreichen, ist es ratsam, die Inhalte für alle verständlich zu "transportieren". Je eher die Art und Weise, in der Lerninhalte bearbeitet werden, variiert, umso vielfältiger sind die Möglichkeiten des Motivierens, Erinnerns und Behaltens bei unseren Azubis.
Für Gruppenarbeiten ist es hilfreich, unterschiedliche Charaktere und Lerntypen und -stile zu erkennen und ihre Qualitäten so zu kombinieren, dass sie sich ergänzen und das Azubis voneinander und miteinander lernen können.
Es gibt unterschiedliche Ansätze, Lerntypen und -stile zu kategorisieren. Am bekanntesten ist die Unterscheidung nach "Aufnahmekanälen", d.h. über welches Sinnesorgan die Person theoretische Informationen und praktische Fertigkeiten verarbeitet.
Nach Aufnahmekanälen unterscheidet man vier verschiedene Lerntypen. In der Praxis begegnen Sie uns meist als Mischtypen:
Wird diese Lerntypisierung bei geflüchteten Menschen zu beachten, dass ihre vertrauten Lernwege in der Ausbildung in Deutschland häufig nicht zum Erfolg führen oder blockiert sind. Beispiel: Menschen, die in ihrem Herkunftsland über das Hören und über die Kommunikation mit anderen gut lernen konnten, stoßen an Grenzen, wenn sie die (Fach-)Sprache noch nicht ausreichend beherrschen. In diesem Fall kann man Lernaufgaben zunächst über motorisches Selbermachen und visuelle, anschauliche Lernmaterialien bearbeiten lassen, gleichzeitig aber den nötigen Wortschatz durch begleitende Gespräche, Erklärungen und Vokabeltrainer langsam aufbauen.
Je nach persönlichem "Temperament" unterscheiden vier weitere Lernstile, die eher das Verhalten von Personen in den Mittelpunkt stellen.
Zusammengefasst geht es um folgende Persönlichkeitsmerkmale, die individuell mehr oder weniger stark ausgeprägt sein können:
Der Nähetyp oder Aktivist
Dieser Typ ist eher zwischenmenschlich und emotional orientiert. Konzepte und Theorien sind für ihn nur dann interessant, wenn man sich mit Kolleginnen und Kollegen darüber austauschen kann. In dieser Arbeitsform kann der Aktivist Intuition und assoziatives Denken einbringen. Andererseits lässt sich dieser Typ leicht von anderen Einflüssen und Anregungen ablenken und verliert dabei das Ziel aus den Augen.
Lernunterstützung für diesen Typ sind Aufgaben, an denen ausdauernd und konzentriert gearbeitet werden muss.
Der Dauertyp oder Empiriker
Personen dieser Kategorie sind eher zurückhaltend und introvertiert. Sie arbeiten strukturiert, kontrolliert und gewissenhaft. Das kann dazu führen, dass sie etwas langsamer vorankommen und es ihnen Schwierigkeiten bereitet, mehrere Dinge parallel zu bearbeiten oder sich flexibel auf neue Rahmenbedingungen einzustellen.
Lernunterstützung für diesen Typ bieten Aufgaben, in denen mehrere Azubis zusammenarbeiten und sich abstimmen müssen. Auch Aufgaben, die Kreativität und Visionen fördern, sind in diesem Fall eine Bereicherung (auch wenn sie zunächst als Herausforderung gesehen werden).
Der Distanztyp oder Theoretiker
Diese Personen gehen logisch, analytisch und rational vor und sind sehr an Hintergründen und Details interessiert. Sie kommen gut mit systematischen Vorgehensweisen zurecht, es fehlt ihnen aber oft an eigener Initiative und Risikobereitschaft, etwas Neues auszuprobieren.
Eine gute Lernunterstützung für solche Personen ist, sie in Gruppenarbeiten und Projekte einzubinden, die sehr zielorientiert zu bearbeiten sind und bei denen auch kreative Methoden eingesetzt werden müssen.
Der Wechseltyp oder Experimentator
Bei diesem Lernstil steht das aktive, praktische Handeln im Mittelpunkt. Leistungswille und Verantwortungsbewusstsein sind vorhanden und "Learning by doing" in Projekt- und Gruppenarbeiten werden gut gemeistert. Unterstützung im Lernprozess brauchen Personen dieses Lerntyps dann, wenn Handlungen zunächst durchdacht und reflektiert werden müssen und zu viel Intuition eher hinderlich ist. Lern- und Arbeitsaufgaben sollten für sie so gestaltet sein, dass sie sich zunächst theoretisch einarbeiten müssen, um ihr praktisches Ergebnis fachgerecht ausführen zu können.
Oft treten Lernschwierigkeiten nicht in der praktischen Unterweisung, sondern in der Berufsschule auf. Es gibt viele Herkunftsländer, in denen schulischer Unterricht aus Auswendiglernen, Abfragen und Abschreiben von Tafelbildern besteht. Sobald die Auszubildenden die deutsche Sprache gut lernen, werden sie sich einen Teil des Lernstoffs auf diese Weise aneignen. Probleme können entstehen, wenn Transferaufgaben gestellt werden, die nicht genau dem gelernten Stoff entsprechen. Diese Art anwendungsorientierten Lernens ist vielen Geflüchteten fremd und muss besprochen und geübt werden.
Denjenigen Flüchtlingen, die schon praktische Erfahrung in einem Handwerk oder einer Dienstleistung gemacht haben, fehlt wiederum häufig der theoretische Hintergrund. Arbeitsabläufe setzen sie dann gut in die Praxis um, aber entsprechende Modelle, Fachtheorien und Standards, die man wissen muss, bereiten Schwierigkeiten.
Diese Gruppe der Geflüchteten hat oft Mühe, das "Lernen zu lernen", und braucht unterstützende Maßnahmen in Grundrechnen, Lesen und schriftlicher Kommunikation.
Das Lernen im Betrieb hat viel mit Lesen, (Hör-)Verstehen und Sprechen zu tun. Wenn Ihre Auszubildenden Defizite in diesen Bereichen haben, können diese nur begrenzt im Arbeitsalltag bearbeitet werden.