Mit Ihrem Engagement geben Sie einerseits jungen Geflüchteten die Chance auf einen erfolgreichen Eintritt ins Berufsleben und leisten damit einen wichtigen Schritt zur Integration. Dieses aktive Wahrnehmen sozialer Verantwortung kann sich auch in positiver öffentlicher Berichterstattung über Ihren Betrieb niederschlagen. Zudem profitiert Ihr Betrieb ganz konkret davon, potenzielle Auszubildende genauer kennenzulernen und die Passung zwischen Ihrem Betrieb und Bewerber/-innen überprüfen zu können.
Die Berufsorientierung hat im Rahmen der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten eine besondere Bedeutung. Durch Berufsschulbesuch, Informationsgespräche und Praktika kommen viele Geflüchtete zum ersten Mal mit dem Begriff „Berufsausbildung“ in Kontakt. In den meisten Herkunftsländern werden „Berufe“ mit einer (fach-)schulischen oder akademischen Ausbildung verbunden. „Duale Ausbildung“, die nach deutschem Muster hauptsächlich im Betrieb stattfindet, ist in den Herkunftsländern unbekannt.
Je nach sozialer Herkunft und Herkunftsland lassen sich Jugendliche und junge Erwachsene unter den Flüchtlingen grob in zwei Gruppen einteilen:
Sofern Geflüchtete mit geringer Schulbildung in ihrer Heimat bereits in Handel, Gewerbe, Landwirtschaft oder Handwerk gearbeitet haben, haben sie ihre Fähigkeiten meist durch „learning by doing“ am Arbeitsplatz erworben und nie eine Prüfung abgelegt oder ein Zeugnis für ihre Qualifikation bekommen. Die Wirtschaftsstruktur in den Herkunftsländern ist oft durch Kleinbetriebe in Handel und Handwerk geprägt. Selbstständigkeit als Kleinstunternehmer/-in z.B. im informellen Sektor verlangt, anders als in Deutschland, in Herkunftsländern keine Zeugnisse oder Zulassungen. Für diese Zielgruppe ist es neu, dass auch handwerkliche und gewerbliche Berufe festgelegte theoretische und praktische Inhalte haben und erst durch eine Prüfung anerkannt werden.
Grundfertigkeiten und Kenntnisse im gewerblichen, technischen oder administrativen Bereich bringen Jugendliche mit, die die Möglichkeit hatten, eine berufliche (Fach-)Schule zu besuchen. Hier ist die Anpassungsqualifizierung an Technologie, Arbeitsweise und berufliche Praxis in Deutschland die wichtigste Aufgabe.
Für Geflüchtete, die einen akademischen Abschluss angestrebt haben und die in Deutschland zunächst keine Möglichkeit haben, eine Hochschule zu besuchen, wird die Option „Berufsausbildung“ vielleicht zunächst einmal als Rückschritt wahrgenommen. Für diese Gruppe kann die Berufsausbildung aber eine solide Grundlage für ein späteres Studium sein oder auch eine gute Möglichkeit, sich nach Interessen und Fähigkeiten in eine ganz neue berufliche Richtung zu entwickeln.
Für viele Geflüchtete aus beiden Gruppen sind Hilfsarbeiten zunächst attraktiver, weil sie im Vergleich zu einer Ausbildung besser bezahlt sind. Dass eine Ausbildung eine Investition in die Zukunft ist und langfristig bessere Perspektiven am Arbeitsmarkt eröffnet, sollte ihnen besonders deutlich gemacht werden.
Die Berufsorientierung beginnt also damit, unser System der dualen Ausbildung einem Außenstehenden verständlich zu machen. Dazu gehören die Vielfalt der Berufe, die Dauer der Ausbildung, die Aufteilung in Theorie und Praxis, die Rolle des Betriebs und der Berufsschule, die Prüfungen und die Zukunftsperspektiven. Welche Möglichkeiten bietet ein Ausbildungsabschluss, welche Fortbildungen können sich anschließen, wie ist die Durchlässigkeit zur Hochschulbildung?
Die Berufsorientierung soll Jugendlichen eine unmittelbare Auseinandersetzung mit den eigenen Interessen und Neigungen sowie ihren beruflichen Vorstellungen ermöglichen: Am Ende der Berufsorientierung sollen sich die Jugendlichen für einen Beruf entschieden haben und diesen auch während der Ausbildung beibehalten. Davon profitieren auch Sie als Ausbildungsbetrieb! Zum einen sind junge Menschen natürlich motivierter und engagierter, wenn sie den für sich richtigen Beruf gewählt haben. Zum anderen verursachen Ausbildungsabbrüche sowohl für die Betriebe als auch für die Jugendlichen einen hohen Schaden und sollten nach Möglichkeit im Vorfeld vermieden werden.
Film zur Berufsorientierung der HWK Karlsruhe
Geflüchtete über 18 Jahren besuchen verpflichtend einen Integrationskurs, in dem auch das Thema „Arbeit, Beruf und Studium“ behandelt wird. Geflüchtete Minderjährige sind (je nach Bundesland) von 16 bis 21 Jahren schulpflichtig und besuchen Berufsintegrationsklassen der Berufsschulen. Hier können Sie sich auf verschiedene Arten einbringen:
Setzen Sie bei Betriebs- und Berufspräsentationen viele Bilder, Fotos, Grafiken und kleine Videoclips ein. Bringen Sie Ihr Produkt oder ein Modell davon mit, erläutern Sie Ihre Dienstleistung anschaulich. Stellen Sie Mitarbeiter/-innen vor, die in Ihrem Betrieb arbeiten, und erzählen Sie von deren täglichen Aufgaben.
Machen Sie auch deutlich, was Ihr Betrieb von Praktikanten erwartet und was sie mitbringen müssen.
Suchen Sie zunächst das Gespräch mit dem Praktikanten oder der Praktikantin und versuchen Sie, gemeinsam eine Lösung zu finden. Je nach Schwere des Problems sollten Sie sowohl die Berufsschule als auch die Ausländerbehörde informieren und einbinden. Manchmal haben geflüchtete Jugendliche schon aufgrund ihrer Versagensängste und der oftmals traumatischen Fluchterfahrungen (siehe dazu die Wissensbausteine "Umgang mit Traumatisierungen bei Geflüchteten" und "Indirekte Traumatisierung") die Tendenz, sich bei Problemen im Praktikumsbetrieb zurückzuziehen und nicht mehr zu erscheinen, ohne dies der Schule mitzuteilen. Auch aus diesem Grunde sollten Sie regelmäßig und bei Problemen auch rasch den Kontakt mit der Schule, der Ausländerbehörde und ggf. der ehrenamtlichen Betreuungsperson suchen.