Wenn Menschen - egal ob Frauen, Männern, Kindern oder Jugendlichen - Gewalt angetan wird, verletzt das manchmal den Körper, aber immer die Seele. Jede Gewalttat ist dramatisch und überflüssig, doch wenn sie in den eigenen vier Wänden stattfindet, da, wo eigentlich Geborgenheit, Liebe und Verständnis zu finden sein sollten, ist es am schlimmsten.
Häusliche Gewalt kann unterschiedlichste Formen annehmen:
Wenn man geschüttelt, getreten, an den Haaren gezogen, gewürgt oder mit Gegenständen beworfen oder geschlagen wird, zählt das zur körperlichen Gewalt.
Sexuelle Gewalt bedeutet, dass ein Mensch unsittlich angefasst, genötigt, vergewaltigt oder sogar zur Prostitution gezwungen wird.
Als psychische Gewalt gilt beispielsweise, wenn jemand ständig bewacht und kontrolliert oder sogar bedroht, eingeschüchtert, beschimpft und verbal abgewertet wird.
Unter sozial interaktive Gewalt fällt z.B. das Verbot einer beruflichen Tätigkeit oder auch die Einbehaltung des Verdienstes.
Die Auswirkungen von Gewalt, auch von körperlicher Gewalt, sind nicht immer offensichtlich. Menschen reden umso seltener darüber, je mehr und je länger erlittene Gewalt Teil ihres Lebens ist. Dazu kommt die Scham über die Lebensumstände oder das Erlebte. Vor allem bei Gewalt, die von Familienmitgliedern ausgeübt wird, überwiegt oft die Angst vor Blamage und der Zerstörung von Familienbanden das Bedürfnis, sich mitzuteilen und sich von häuslicher Gewalt zu befreien.
Ein gesundes Vertrauensverhältnis und zumindest die ungefähre Kenntnis der Lebensumstände Ihres Azubis sind das beste Mittel, um zu erkennen, wenn er oder sie durch Dritte Gewalt erfährt – auf welche Weise auch immer. Je besser Sie Bescheid wissen, wie er oder sie „tickt“, umso eher bemerken Sie auch, wenn es ihm oder ihr nicht gut geht.
Reden Sie also regelmäßig mit Ihrem Azubi auch über nichtberufliche Themen, lernen Sie die Eltern kennen, die Betreuer und Betreuerinnen, das Umfeld. Seien Sie neugierig, ohne aufdringlich zu sein. Schaffen Sie eine Atmosphäre, in der Ihr Azubi Sie im Zweifel auch bei Problemen um Rat fragt, die nicht unmittelbar mit der Ausbildung zu tun haben. Dies setzt jedoch voraus, dass Sie sich auf solch ein enges Verhältnis zu Ihrem Azubi einlassen können und möchten.
Gehen Sie die häuslichen Probleme Ihres Azubis denn überhaupt etwas an? Die eindeutige Antwort lautet: Ja, denn als Ausbilder oder Ausbilderin haben Sie eine Fürsorgepflicht gegenüber Ihrem Azubi. Das gilt insbesondere, wenn Sie selbst unmittelbar Zeuge von Gewalt gegenüber Ihrem Azubi werden. Hier sind Sie dazu verpflichtet, sich einzumischen!
Holen Sie sich bei einem entsprechenden Verdacht Hilfe und Rat bei qualifizierten Beratungsstellen und/oder legen Sie Ihrem Azubi nahe, sich dorthin zu wenden. Eine Auswahl entsprechender Angebote finden Sie u.a. auf folgenden Internetseiten:
Beim Unabhängigen Beauftragten für sexuellen Kindesmissbrauch erhält man Zugang zu zahlreichen lokalen Beratungsstellen: http://beauftragter-missbrauch.de/. Unter der Tel.: 0800-2255530 kann man sich telefonischen Rat holen.
Besprechen Sie in einem nächsten Schritt Ihren Verdacht und die damit verbundenen Sorgen allein mit Ihrem Azubi.
Leider können Sie selbst aktiv gegen die Gewalt nicht viel tun. Hier ist ganz klar professionelle Hilfe notwendig. Signalisieren Sie Ihrem Azubi aber, dass Sie - falls gewünscht! - die Probleme mit ihr oder ihm durchstehen werden.
Bewahren Sie in jedem Fall Ihre professionelle Distanz, auch wenn Ihnen das Schicksal Ihres Azubis noch so nahegeht. Seien Sie eine Stütze, aber lösen Sie nicht seine oder ihre Probleme.
Bleiben Sie auch in Extremsituationen in Ihrer Rolle als Ausbilder oder Ausbilderin - Sie können nicht die Rettung sein. So schwer es Ihnen manchmal auch fallen mag, nicht einzugreifen: Ihr Azubi muss allein entscheiden, ob er oder sie etwas gegen die häusliche Gewalt unternehmen möchte.