Geringes schulisches Grundwissen bei geflüchteten Azubis

  • Warum hat mein Azubi nicht den Wissensstand, den der Schulabschluss eigentlich voraussetzt?

    Auszubildende mit Fluchthintergrund bringen nicht die schulischen Voraussetzungen mit, die wir von Auszubildenden erwarten, die das deutsche Schulsystem durchlaufen haben. Das kann verschiedene Gründe haben: Die Geflüchteten konnten beispielsweise wegen der Kriegssituation in ihren Herkunftsländern die Schule nicht besuchen oder nicht beenden. Oder für das nationale Schulsystem ist Auswendiglernen typisch und es fällt den Azubis schwer, Transferleistungen zu erbringen. In vielen Ländern ist es auch nicht die Aufgabe der Schule, selbstständiges Handeln und Denken zu fördern. Diese kulturelle Prägung von Geflüchteten wirkt sich natürlich auf die Leistungen in der Berufsschule und die praktische Arbeit im Betrieb aus.

    Dazu kommt die Sprachbarriere. Deutsch sprechen und gegebenenfalls die lateinische Schrift lesen und schreiben zu lernen, ist ein längerer Prozess und erschwert den Zugang zu Lerninhalten.

    Abhängig von ihrem Alter bei der Ankunft in Deutschland haben die Geflüchteten bei bestehender Schulpflicht je nach Bundesland eine Regelschule, eine Integrationsklasse oder eine Berufsschulklasse besucht. Volljährige Jugendliche haben, je nach Bundesland, zumindest Sprachkurse oder Berufsvorbereitungsmaßnahmen durchlaufen. Doch auch hier können weitere Gründe vorliegen, die das Lernen erschweren: zu große Klassen mit Geflüchteten aus verschiedenen Herkunftsländern und mit unterschiedlichen Voraussetzungen, Überforderung des Lehrpersonals, unzureichende Ausstattung der Schulen oder soziale Problemlagen und schwierige Wohnsituationen.

    Bei unbegleiteten jugendlichen Flüchtlingen fehlt zudem die Förderung durch das Elternhaus. Der regelmäßige Schulbesuch kann nur von Lehrern und Betreuungspersonen "überwacht" werden.

    Die Ursachen für den möglichen geringen Wissensstand liegen also meistens nicht in mangelnder Intelligenz der Kinder, sondern in den problematischen Rahmenbedingungen. Als Resultat der vielfältigen Probleme haben Schülerinnen und Schüler bisweilen erhebliche Defizite, sogar in den Grundfertigkeiten wie Rechnen, Lesen und Schreiben sowie ein eher geringes Allgemeinwissen.

    Die gute Nachricht: Hat es ein Flüchtling geschafft, einen Ausbildungsplatz zu erhalten, bringt er meistens im Vergleich zu anderen Flüchtlingen gute Voraussetzungen bezüglich Sprachniveau und Leistungsmotivation mit. In den meisten Fällen lassen sich bestehende Defizite mit gezielter frühzeitiger Förderung wirksam beheben.

  • Woran erkenne ich große Wissenslücken bei meinem Azubi?

    Grundsätzlich neigen Jugendliche und junge Erwachsene dazu, Wissenslücken zu verbergen. Das ist bei Geflüchteten nicht anders. Wie erkennen Sie dennoch diese Lücken? In der betrieblichen Praxis tut sich beispielsweise Ihr Azubi schwer, einfache Rechenaufgaben zu lösen, mit Maßen umzugehen, Gewichte zu bestimmen. Er oder sie vermeidet es, schriftliche Anweisungen und Informationen zu lesen. Anzeichen können auch eine ausgeprägte Unlust zum Berufsschulbesuch und Fehlzeiten in der Berufsschule sein. Ein regelmäßiger Kontakt zur Berufsschule sowie eine laufende Kontrolle der Noten und Berichtshefte können helfen, diese Lücken rechtzeitig aufzudecken.

  • Wie kann ich meinem Azubi dabei helfen, schulische Defizite aufzuarbeiten?

    Grundsätzlich gilt die Regel: je früher Wissenslücken ausgeglichen werden, desto besser. Je größer die Lücken werden, umso schwerer sind sie zu beheben. Wenn Auszubildende längere Zeit nur Misserfolge in der Berufsschule haben, werden Motivation und Selbstvertrauen so stark sinken, dass es unmöglich wird, die Lücken noch auszugleichen (siehe dazu die Wissensbausteine "Geringe Lern- und Leistungsmotivation" und "Verunsicherung geflüchteter Jugendlicher").

    Sprechen Sie also Ihre Azubis auf Defizite an, sobald Sie anhand schlechter Schulnoten oder mangelhaft ausgeführter innerbetrieblicher Aufträge bemerken, dass es Lücken gibt. Versuchen Sie herauszufinden, wo die Probleme genau liegen. Machen Sie den Auszubildenden Angebote, diese Lücken in der betrieblichen Ausbildung zu schließen oder durch externe Unterstützung intensiv zu bearbeiten. Bestärken Sie sie, dass es möglich ist, gute Noten in der Schule zu erreichen und fehlende Kenntnisse aufzuholen.

    Im betrieblichen Alltag ist es äußerst hilfreich, wenn Sie den Wissensstand Ihrer Azubis selbst gelegentlich mit gezielten Fragen zur Arbeitsaufgabe und geeigneten Tests überprüfen: "Wie bist Du auf dieses Ergebnis gekommen?", "Wie berechnet man …?", "Was bedeutet ...?", "Warum bist du so vorgegangen?", "Welche Regel muss man hier anwenden?". Ziel ist, dass die Azubis Verfahren, Regeln und Gesetze verstehen und sie nicht nur auswendig lernen, sondern in eigenen Worten wiedergeben können. Geben Sie den Auszubildenden entsprechende Übungsaufgaben, die entweder mithilfe anderer Azubis, betrieblicher Paten oder zu Hause bearbeitet werden und Ihnen wieder vorgelegt werden müssen.

    In größeren Betrieben mit eigener Lehrwerkstatt können Sie versuchen, geringe Wissenslücken Ihrer Azubis durch gezielte Förderstunden auszugleichen. Beziehen Sie Auszubildende mit ein, die sich schon in höheren Ausbildungsjahren befinden oder einen guten Kontakt zu den Geflüchteten haben.

    Schriftliche Anweisungen können Sie gemeinsam lesen, in einfache Worte übertragen und von Auszubildenden in eigenen Worten wiedergeben lassen. Lassen Sie die Azubis Vokabelhefte für fachliche Begriffe und Zusammenhänge führen, die sie bei Bedarf nutzen können.

    Mittelfristigen Erfolg verspricht eine regelmäßige gezielte Förderung, beispielsweise durch ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) oder die assistierte Ausbildung (AsA), die über die Arbeitsagentur flächendeckend angeboten werden. Diese Förderung sollten Sie grundsätzlich so früh wie möglich in Anspruch nehmen. Im Rahmen der ausbildungsbegleitenden Hilfen und der assistierten Ausbildung erhalten Auszubildende Stützunterricht und sozialpädagogische Begleitung. In Kleingruppen von etwa fünf Personen erhalten die Auszubildenden Förderung beim Erlernen von Fachtheorie, Fachpraxis, Training des Sozialverhaltens/Entwicklung der Persönlichkeit, Vorbereitung auf die Gesellen-/Abschlussprüfung und Stützunterricht zum Erlernen von Lerntechniken zum Abbau von Sprach- und Bildungsdefiziten. Der Förderunterricht umfasst wöchentlich drei bis acht Stunden und soll Ausbildungsabbrüche verhindern helfen.

    Ein weiteres interessantes Förderangebot ist das Jobstarter-Programm VerA des Senior Experten Service (SES). VerA steht für "Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen" und hat die Stärkung von Jugendlichen in der Berufsausbildung durch SES-Ausbildungsbegleiter/-innen zum Ziel.

  • Hier finde ich Hilfe: Beratungs- und Unterstützungsangebote

 
 
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