Sicherheitshinweise verständlich gestalten

  • Sicherheitshinweise am Arbeitsplatz

    Um Störungen oder gar Unfälle zu vermeiden, ist es unumgänglich, dass alle Mitarbeiter/-innen die möglichen Gefahren am Arbeitsplatz kennen und darauf angemessen reagieren können. Für Ihre Azubis, die Deutsch als Zweitsprache sprechen, beinhalten Sicherheitshinweise zahlreiche sprachliche Stolpersteine. Hier erfahren Sie, wie Sie diese sprachlichen Herausforderungen erkennen und Ihre Azubis beim Verstehen von Sicherheitshinweisen unterstützen können.

  • Warum sind Sicherheitshinweise für zugewanderte Auszubildende eine große Herausforderung?

    Stellen Sie sich vor, Sie würden in einer Firma im Ausland arbeiten und müssten die dortigen schriftlichen Sicherheitshinweise oder mündliche Sicherheitsunterweisungen verstehen. Selbst wenn Sie im Alltag gut in der Landesssprache kommunizieren könnten, gäbe es bestimmt einige sprachliche Stolperfallen, wie zum Beispiel Fachbegriffe oder komplexe Satzstrukturen. Ein Auszug aus Sicherheitshinweisen zur Brandbekämpfung macht dies deutlich:

    Maßnahmen zur Brandbekämpfung

    5.1. Löschmittel
    Empfehlung: alkoholbeständiger Schaum, Kohlensäure, Pulver, Wassernebel. Es darf kein Wasserstrahl verwendet werden, da dieser den Brand streuen kann.

    5.2. Besondere vom Stoff oder Gemisch ausgehende Gefahren
    Wenn das Produkt hohen Temperaturen ausgesetzt wird, beispielsweise bei Feuer, kann es zu gefährlichen Abbauprodukten kommen. Dabei handelt es sich um: Kohlenmonoxide. Bei Feuer bildet sich dichter schwarzer Rauch. Abbauproduktexposition kann eine gesundheitliche Gefahr bedeuten. Die Feuerwehr muss geeignete Schutzausstattung verwenden. Geschlossene, dem Feuer ausgesetzte Behälter sind mit Wasser zu kühlen. Löschwasser nicht in Kanalisation und Fließgewässer gelangen lassen.

    5.3. Hinweise für die Brandbekämpfung
    Normale Einsatzbekleidung und voller Atemschutz.

    Quelle: Anna Svet/Anne Sass: Deutsch am Arbeitsplatz, Materialien für die Fortbildung des IQ Netzwerkes "Deutsch am Arbeitsplatz" (unveröffentlichtes Seminarmanuskript), 2015.

    An diesem kurzen Auszug lassen sich einige sprachliche Schwierigkeiten von Sicherheitshinweisen aufzeigen:

    • zusammengesetzte Wörter: z. B. alkoholbeständig, Abbauproduktexposition, Schutzausstattung, Brandbekämpfung
    • Fachwörter: z. B. Kohlensäure, Kohlenmonoxid, Abbauproduktexposition

    Das Wort "Abbauproduktexposition" kann auch aufgrund von Übersetzungsfehlern zu Missverständnissen führen. Denn das Wort "exposition" ist aus dem Englischen oder Französischen eher als Bezeichnung für eine Ausstellung von Kunstgegenständen bekannt und weniger für die Freisetzung von Gefahrenstoffen.

    Autoren und Autorinnen bzw. Vermittler und Vermittlerinnen von Sicherheitshinweisen müssen ihr Anliegen rechtlich einwandfrei und kurz gefasst darlegen. Daher ist nicht nur die Wortwahl, sondern auch die Struktur der Sätze komplexer als in der Alltagssprache.

    Der oben zitierte Text zum Thema Brandbekämpfung möchte alle Personen neutral ansprechen. Statt zu sagen: "Sie dürfen keinen Wasserstrahl verwenden, da dieser den Brand streuen kann.", heißt es: "Es darf kein Wasserstrahl verwendet werden, da dieser den Brand streuen kann."

    In der Wortgruppe "den Brand streuen" steckt eine weitere sprachliche Stolperfalle. Denn das Wort "streuen" ist, wenn überhaupt, in ganz anderen Zusammenhängen bekannt, etwa in "Salz streuen". Und so erschließt sich hier wohl kaum die gemeinte Bedeutung, dass sich das Feuer sehr schnell in einem weiten Umfeld verteilt.

    Für Ihre Azubis, die noch nicht lange Deutsch als Zweitsprache lernen, können auch Passivkonstruktionen sprachliche Hürden sein, zum Beispiel in der Formulierung: "Wenn das Produkt hohen Temperaturen ausgesetzt wird", oder im bereits erwähnten Satz: "Es darf kein Wasserstrahl verwendet werden." Diese Aussage ist besonders anspruchsvoll, da der Satz durch "darf kein ... werden" ausdrückt, dass etwas verboten ist. Bei Einführung der Modalverben (früher auch Hilfsverben genannt) wird jedoch gelernt, dass "dürfen" eine Erlaubnis ausdrückt. Dadurch kann es bei Formulierungen wie "darf kein …" passieren, dass die Verneinung übersehen wird. Im Rahmen von Sicherheitshinweisen kann das fatale Folgen haben.

    Unpersönliche passivische Konstruktionen nach dem Muster "Es darf nicht verwendet werden" oder auch "Die Regeln müssen befolgt werden" werden in Sprachkursen oftmals erst auf der Niveaustufe B2 vermittelt. Sie stellen damit an Lernende einen hohen Anspruch. Deutsch auf dieser Stufe befähigt schon zur Kommunikation auf einem für Alltag und Beruf gutem Niveau (siehe dazu den Wissensbaustein "Sprachniveaustufen").

    Auch andere unpersönliche Ausdrücke, sogenannte Passiversatzformen, finden sich in dem Text zur Brandbekämpfung. So sind auch die folgenden Sätze neutral formuliert: "… dem Feuer ausgesetzte Behälter sind mit Wasser zu kühlen" oder "Löschwasser nicht in Kanalisation und Fließgewässer gelangen lassen". Bei den Formulierungen nach dem Muster "sind zu … kühlen" und auch "nicht gelangen lassen" handelt es sich ebenfalls um grammatische Strukturen, die nicht leicht zu erschließen sind.

    Schauen wir uns die Formulierung "dem Feuer ausgesetzte Behälter" ebenfalls nochmals genauer an. Wenn man die Verbindung von Hauptwort und Verb mit einem ausführlichen Satz umschreiben würde, lautete er so: "Der Behälter, der dem Feuer ausgesetzt ist". Auch solche verkürzten Nebensätze sind typisch für Sicherheitshinweise. Hinzu kommt, dass das Verb "aussetzen" in der Alltagssprache andere und dann auch noch unterschiedliche Bedeutungen hat, zum Beispiel: "Er hat ein Semester ausgesetzt.", oder auch: "Ständig hast du etwas an mir auszusetzen."

  • Wie lassen sich Sicherheitshinweise in Ihrem Betrieb verständlicher gestalten?

    • Analysieren Sie die in Ihrem Betriebe ausgehängten Sicherheitshinweise und versuchen Sie, diese - falls notwendig - einfacher zu formulieren. Sie können sie schon allein dadurch vereinfachen, dass Sie Sätze wie zum Beispiel "In diesem Bereich muss Schutzkleidung getragen werden" durch die Bitte ersetzen: "Tragen Sie hier Schutzkleidung". Dies kann übrigens für alle Ihre Mitarbeiter/-innen hilfreich sein, da sie die Texte so aufmerksamer lesen werden. Konkrete Beispiele, wie dies ausschauen kann, finden Sie in Broschüren der Berufsgenossenschaft für Gesundheitswesen und Wohlfahrtspflege (BGW).
    • Nutzen Sie über die gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitskennzeichen hinaus Bilder und andere visuelle Mittel.
    • Falls Sie viele Mitarbeitende haben, die dieselbe Erstsprache beherrschen, nutzen Sie auch mehrsprachige Sicherheitshinweise. Vor allem, wenn es etwa um den Umgang mit sehr gefährlichen Stoffen geht.
    • Setzen Sie Sprachmentoren und -mentorinnen ein, die Ihre Azubis dabei unterstützen, auch komplexe  Sicherheitshinweise zu verstehen.
    • Machen Sie auch externe Trainerinnen und Trainer, die in Ihrem Betrieb Sicherheitsunterweisungen geben, darauf aufmerksam, dass nicht alle Mitarbeiter/-innen Deutsch als Muttersprache sprechen. Bitte Sie sie, Ihre Vorträge anschaulich zu gestalten und eine für alle verständliche Sprache zu nutzen.
  • Hier finde ich Hilfe: Informationen, externe Unterstützungs- und Beratungsangebote

    Beispiele für Sicherheitshinweise in einfacher Sprache finden sich bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), zum Beispiel zum Thema Hautschutz- und Händehygieneplan für Mitarbeitende in der Küche: www.bgw-online.de/DE/Service/Leichte-Sprache/Leichte-Sprache_node.html

    Das Förderprogramm Integration durch Qualifizierung (IQ) hat die Broschüre "Deutsch habe ich im Betrieb gelernt. Berufsbezogenes Deutsch im Unternehmen verankern" herausgegeben. Sie enthält viele Tipps und Hinweise, wie Sie Ihre Azubis dabei unterstützen können, auch komplexe Inhalte zu verstehen. Die Broschüre kann zum Beispiel beim IQ-Netzwerk Niedersachsen heruntergeladen werden: http://www.migrationsportal.de/iq-niedersachsen/publikationen

    Informationen zur Weiterbildung von Mitarbeitenden zu Sprachmentoren und -mentorinnen oder Sprachpaten und -patinnen finden Sie u. a. bei der IQ-Fachstelle "Berufsbezogenes Deutsch": www.deutsch-am-arbeitsplatz.de/fortbildungen/fortbildung-sprachmentoring.html

    Bei der IQ-Fachstelle "Berufsbezogenes Deutsch" kann auch die Broschüre "Sprachsensibel beraten - Praktische Tipps für Beraterinnen und Berater" heruntergeladen werden. Hier finden Sie zahlreiche Tipps und Hinweise zum Gebrauch verständlicher Sprache sowohl in mündlichen als auch schriftlichen Zusammenhängen: www.deutsch-am-arbeitsplatz.de/fachstelle/publikationen-der-fachstelle.html

 
 
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