Viele zugewanderte Jugendliche bringen eine hohe Integrations- und Lernbereitschaft mit, um ein Ausbildungsziel zu erreichen. Allerdings ist davon auszugehen, dass Jugendliche, die nicht in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen sind, die deutsche Sprache noch nicht in dem Maße beherrschen, um alleine alle sprachlichen Anforderungen während der Ausbildung bewältigen zu können.
Als Ausbilder sollten Sie sich von eventuell bestehenden sprachlichen Herausforderungen für Ihren Azubi aber nicht abschrecken lassen. Am Anfang kann die Ausbildung zwar eine etwas intensivere Betreuung erfordern. Doch der Gewinn für Sie als Ausbildungsbetrieb lohnt sich: In der Regel haben Sie es mit motivierten jungen Leuten zu tun, mit denen Sie sich gemeinsam freuen können, wenn sich erste Lernerfolge einstellen. Sie erreichen eine intensive Bindung an Ihr Unternehmen und können durch gut ausgebildete Fachkräfte die Zukunft Ihres Betriebes sichern.
Wenn Sie Jugendliche ausbilden, die noch dabei sind, Deutsch zu lernen, kann das sogar einen positiven Nebeneffekt zur Folge haben: Die Kommunikation in Ihrem Unternehmen wird klarer und transparenter, denn wenn alle gemeinsam überdenken, wo z. B. schriftliche und mündliche Anweisungen vereinfacht werden können, wirkt sich dies letztlich auf die gesamte Betriebskommunikation positiv aus.
Darüber hinaus bringt Ihr Azubi durch seine individuellen und kulturellen Erfahrungen neue Perspektiven in Ihren Betrieb ein. Dies kann sowohl auf der fachlichen als auch auf der persönlichen Ebene ein Gewinn für Ihren gesamten Betrieb sein, denn die Märkte und die deutsche Gesellschaft der Zukunft brauchen Vielfalt und diversifizierende Herangehensweisen. Das heißt, es kann z. B. bedeutsam sein, die Erläuterung neuer Ausbildungsinhalte mit Visualisierungen zu unterstützen, sodass auch für Jugendliche, die Deutsch als Zweitsprache erlernen, das Verständnis gesichert ist. Firmeninterne Regeln, die sich für muttersprachliche Mitarbeitende aus dem Kontext erschließen lassen, sollten für Nicht-Muttersprachler genau erklärt werden.
Da Sprache einer der wichtigsten Schlüssel zur Integration ist, fördern Sie nicht nur die Integration des Azubis in Ihren Betrieb, sondern auch dessen gesamte Integration in die deutsche Gesellschaft.
Schon beim Bewerbungsgespräch können Sie feststellen, dass ein potenzieller Auszubildender nicht perfekt die deutsche Sprache beherrscht. Das muss jedoch kein Ausschlusskriterium sein. Viel wichtiger ist der „Gesamteindruck“, den der Azubi bei Ihnen erweckt: Bringt er z. B. andere, für den Ausbildungsberuf wichtige fachliche und soziale Kompetenzen mit? Zeigt er Lernbereitschaft und echtes Interesse an der Ausbildung? Dann trauen Sie sich und geben Sie ihm die Chance auf eine Ausbildung in Ihrem Betrieb!
Zunächst ist festzuhalten, dass jeder Sprachlernende und somit auch Ihr Azubi ein ganz persönliches Sprachprofil hat. Dieses hängt davon ab, welche Lernerfahrungen er aus seinem Heimatland mitbringt, ob er schon andere Fremdsprachen beherrscht und welche Sprache(n) er in seinem Heimatland gesprochen hat.
Einen ersten Anhaltspunkt für die Sprachkompetenz Ihres Azubis und auch seine Kompetenzen in der deutschen Sprache bietet die Einteilung in Niveaustufen nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen. Dieser teilt den Spracherwerb in sechs Stufen von A1 bis C2 ein. "A1" und "A2" stehen für eine elementare Sprachverwendung, "B1" und "B2" für selbstständige Sprachverwendung und "C1" sowie "C2" für kompetente Sprachverwendung.
Damit Sie einen Blick dafür bekommen, wie der Spracherwerb bei neu Zugewanderten verläuft, hier ein paar Hinweise, die Ihnen helfen, die Sprachkenntnisse Ihres Azubis besser einzuschätzen:
Kann Ihr Azubi z. B. ein Zertifikat für das Sprachniveau B1 nachweisen, so sollte er folgende sprachliche Kompetenzen aufweisen:Standardinformationen und -texte aus dem Arbeitsbereich aufnehmen können
(Wenn Sie zu diesem Thema weitere Informationen wünschen, lesen Sie auch: Arbeitsplatz Europa: Sprachkompetenz wird messbar.)
Sprachprüfungen, wie z. B. der "Deutsch-Test für Zuwanderer (DTZ) A2–B1" oder das Zertifikat "Deutsch B1" sind allerdings allgemeinsprachliche Prüfungen, die Alltagssituationen (beispielsweise Situationen beim Arzt, in der Schule oder beim Einkaufen) aufgreifen. Daher kann es sein, dass berufssprachliche Inhalte noch nicht zu den "vertrauten Inhalten" gehören und für Ihren Azubi trotz des erreichten Sprachniveaus zu Beginn der Ausbildung eine Herausforderung darstellen oder dass Ihr Azubi nicht immer die für den beruflichen Alltag passenden Formulierungen verwendet.
Hier ein paar Beispiele:
Sprachliche Anforderungen sind von Beruf zu Beruf unterschiedlich. Welche sprachlichen Anforderungen Auszubildende in Ihrem Betrieb bewältigen müssen, können Sie selbst feststellen. Nehmen Sie sich doch einen Moment Zeit, um zu überlegen, was Ihr Azubi lesen und schreiben und welche Gespräche er führen können muss.
Neben diesen sprachlichen Herausforderungen ist Ihr Azubi auch mit kulturellen Unterschieden konfrontiert. Vieles ist noch fremd, was für Jugendliche, die in Deutschland aufgewachsen sind, normal ist. So kann es z. B. sein, dass es für Ihren Azubi noch schwieriger ist als für in Deutschland sozialisierte Jugendliche, eigene Fehler zuzugeben oder einzugestehen, dass er etwas nicht verstanden hat. Dies trifft vor allem dann zu, wenn es in der Herkunftskultur Ihres Azubis absolut nicht üblich ist, von selbst auf Fehler hinzuweisen bzw. bei Unklarheiten nachzufragen oder gar einem Vorgesetzten zu widersprechen.
Sie als Ausbilder und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Azubis dabei unterstützen, ihre Sprachkenntnisse während der Ausbildung zu erweitern:
Nutzen Sie den gesamten Betrieb als Sprach-Lernort!
Gerade Formulare und schriftliche Anweisungen sind oftmals kompliziert formuliert. Denken Sie allein an den Ausbildungsvertrag, schon dieser weist unzählige sprachliche Hürden auf – auch für Muttersprachler!
Unterstützen Sie Ihren Azubi deshalb wann immer möglich beim Erschließen komplexer Texte. Hier einige Kriterien, die Ihnen helfen zu erkennen, ob ein Text eine Herausforderung für Ihren Azubi darstellt, wenn er Deutsch als Zweitsprache erlernt:
Wenn in Ihrem Betrieb z. B. Sicherheitsanweisungen veröffentlicht werden, sollten diese in einer klaren und leicht verständlichen Sprache formuliert sein.
Selbstverständlich werden Sie nicht immer die notwendige Zeit haben, selbst die Texte zu vereinfachen, doch wenn sie zumindest bei neu erstellten Texten oder in der schriftlichen Kommunikation mit Ihrem Azubi auf eine sprachsensible Gestaltung achten, ist schon ein erster guter Schritt getan.
Weitere Tipps zur Gestaltung von schriftlichen Informationen finden Sie z. B. in der Broschüre "Sprachsensibel beraten" der Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch in Hamburg.
Nutzen Sie die Kompetenzen Ihrer Mitarbeitenden – Setzen Sie Sprachmittler ein!
Selbstverständlich haben Sie nicht immer die Zeit und Energie, sich um Ihren Azubi zu kümmern und ihn oder sie sprachlich zu fördern. Daher kann es sehr hilfreich sein, wenn Sie Ihrem Azubi einen sogenannten "Sprachmittler" an die Seite stellen: einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin, welche/-r die gleiche Muttersprache wie Ihr Azubi spricht, bei sprachlichen Herausforderungen unterstützt, gern Fragen beantwortet und vielleicht auch einmal beim Berichtsheft oder einer schwierigen Hausaufgabe für die Berufsschule hilft. Sprachmittler können auch bei interkulturellen Fragen beratend zur Seite stehen, ersetzen jedoch nicht den Unterricht durch professionelle Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache. Mit dem bundeseinheitlichen IHK-Zertifikatslehrgang zum Sprachmittler (IHK) können Sie oder Ihre Mitarbeiter sich qualifizieren lassen. Weitere Informationen dazu finden Sie unter "Hier finde ich Hilfe" am Ende dieses Kapitels.
Sprachsensible Anleitungs- und Feedbackgespräche führen
Schon mit kleinen Hilfestellungen können Sie Ihren Azubi dabei unterstützen, Deutsch zu lernen. Dazu müssen Sie kein ausgebildeter Sprachtrainer sein! Bei jedem Gespräch, das Sie mit Ihrem Azubi führen, können Sie beispielsweise durch eine entspannte Gesprächsatmosphäre dazu beitragen, dass er oder sie sich traut, die eigenen Deutschkenntnisse anzuwenden und neu Gelerntes auszuprobieren.
Sie können auch helfen, indem Sie selbst Ihre Sprache ein wenig kontrollieren. Aber Achtung: Damit ist nicht gemeint, selbst "falsches, verdrehtes" Deutsch zu sprechen! Hier ein paar Tipps:
Weitere Tipps zum Thema finden Sie z. B. in die Broschüre "Sprachsensibel beraten" der Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch in Hamburg.
Wertschätzender und konstruktiver Umgang mit sprachlichen Fehlern
Als Ausbilder können Sie Ihren Azubi unterstützen, wenn Sie mit sprachlichen Fehlern wertschätzend und konstruktiv umgehen. Sie können z. B. Interesse zeigen und sich die Zeit nehmen, das vom Azubi Gesagte nochmals in eigenen Worten zusammenzufassen. So vermeiden Sie Missverständnisse. Wenig hilfreich ist es hingegen, voreilig Sätze für Ihren Azubi zu beenden. Fragen Sie gezielt nach, wenn Sie dem Gesagten nicht richtig folgen können, aber unterbrechen Sie den Azubi nicht mitten im Satz. Korrigieren Sie auch nicht jeden Fehler, denn das entmutigt und führt zu einer Hemmung beim Sprechen. Überhören Sie stattdessen einfach den einen oder anderen Fehler.
Wenn Ihr Azubi schon eine Weile in Ihrem Betrieb lernt und Sie feststellen, dass sprachliche Fortschritte zu verzeichnen sind, benennen Sie diese und loben Sie den Erfolg, denn oft erkennen die Sprachlernenden selbst nicht, dass sie Fortschritte machen. Spiegeln Sie daher so oft wie möglich, dass Sie mit den sprachlichen Leistungen zufrieden sind und machen Sie konkrete Vorschläge, wo es noch Verbesserungsbedarf gibt.
Die fachlichen Kompetenzen des Azubis auch bei sprachlichen
Schwierigkeiten erkennen
"Wenn man mit Akzent spricht, denken Leute, dass man auch mit Akzent denkt."
(Zitat aus der Broschüre "Sprachsensibel beraten")
Ein Akzent oder mangelnde Ausdrucksfähigkeit sind keinesfalls gleichzusetzen mit fachlicher Inkompetenz. Wenn Ihr Azubi nicht immer sofort auf Fragen und Anweisungen von Ihnen, Kollegen oder Kunden reagiert, kann das auch sprachliche oder interkulturelle Ursachen haben. Es muss nicht immer an mangelnder fachlicher Qualifikation liegen. Beobachten Sie daher gezielt die Leistungen auf fachlicher Ebene und geben Sie immer wieder die Möglichkeit, auch ohne Worte die fachlichen Qualitäten unter Beweis zu stellen.
Externe Förderung durch Sprachkurse
Ihr Azubi trägt in jedem Fall eine Eigenverantwortung für seinen weiteren Spracherwerb. Damit dieser gelingt, ist es wichtig, am Ball zu bleiben und sich selbstständig oder durch den Besuch eines Sprachkurses weiterzubilden. Sie können Ihren Azubi bei dieser Herausforderung unterstützen, indem Sie innerbetriebliche Sprachkurse anbieten, in denen gezielt ausbildungsplatzbezogene Inhalte trainiert werden. Weitere Infos dazu finden Sie auf der Webseite der Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch. Falls dies für Ihren Betrieb nicht möglich ist, können Sie auch auf externe Sprachlernkurse aufmerksam machen, die z. B. an Volkshochschulen, dem Goethe-Institut oder von anderen professionellen Sprachkursanbietern vor Ort angeboten werden. Es gibt auch Sprachkurse, die speziell auf einzelne Berufe bezogen sind. Wenn Ihr Azubi einen externen Sprachkurs besucht, geben Sie ihm dazu ausreichend Zeit: Wenn der Kurs z. B. immer am Dienstag- und Donnerstagabend stattfindet, sollten Sie einen pünktlichen Feierabend ermöglichen.