Viele in Deutschland geborene Auszubildende beginnen heute ihre Ausbildung als junge Erwachsene. Aber auch wenn die Jugendlichen das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben, sollte der elterliche Einfluss auf den jungen Menschen und auf eine erfolgreiche Ausbildung nicht unterschätzt werden. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) ermittelte, dass für Jugendliche bei der Berufsorientierung der Rat und die Unterstützung durch ihre Eltern an erster Stelle steht - deutlich vor dem Freundeskreis oder den Lehrerinnen und Lehrern der Schule.
Im Fall von Geflüchteten stellt sich die familiäre Situation anders dar. Circa 40 % der Asylsuchenden sind 16 bis 30 Jahre alt, davon sind 70 % männliche Jugendliche und junge Erwachsene (Quelle: BIBB-Datenreport 2017). Auszubildende aus dieser Altersgruppe sind vorwiegend allein eingereiste junge Erwachsene oder unbegleitete Minderjährige. Eltern und Familie können also in aller Regel nicht in die Berufswahl, den Abschluss eines Ausbildungsvertrags und den weiteren Verlauf der Ausbildung einbezogen werden. Auch berufliche Erfahrungen und Vorbilder aus dem Elternhaus finden im deutschen Arbeitsmarkt oft keine Entsprechung, können also nicht als Orientierung für den Azubi herangezogen werden. Wenn die Eltern oder auch andere Verwandte (die ggf. die Erziehung übernommen haben) des geflüchteten Jugendlichen vor Ort leben, sind sie natürlich vorrangig in den Kontakt zum Ausbildungsbetrieb einzubeziehen. Das gilt auch für junge volljährige Flüchtlinge, die ebenfalls Unterstützung von Familienangehörigen in der Berufswahl und während der Ausbildung benötigen.
Wenn keine Eltern oder andere Familienangehörige in Deutschland leben, stehen unbegleitete Minderjährige in der Obhut des Jugendamts, das einen Vormund bestellt. Sie können auch in Pflegefamilien untergebracht sein, die temporär als Erziehungsberechtigte eingesetzt werden. Volljährige Flüchtlinge haben oft ehrenamtliche Betreuer/-innen, Paten oder Patinnen, Mentoren oder Mentorinnen aus lokalen Flüchtlingsinitiativen oder Betreuer/-innen im städtischen Sozialamt oder in der Ausländerbehörde.
Aus diesem Personenkreis kommen also Ihre Ansprechpartner/-innen, wenn Sie Unterstützung in der Ausbildung Geflüchteter benötigen oder aus einem anderen Grund Kontakt zum privaten Umfeld des Azubis herstellen wollen.
Auch für das Ausbildungsverhältnis besteht ein Erziehungsauftrag. Daher ist es für den Ausbildungserfolg hilfreich, wenn Personen, die die Erziehung minderjähriger Geflüchteter übernommen haben, den betrieblichen Auftrag begleiten und unterstützen. Gefragt ist also ein möglichst guter Kontakt zur Familie, dem Vormund, dem Betreuer oder der Betreuerin, dem Paten oder der Patin, da sie die Entwicklung der Persönlichkeit sowie das Lern- und Arbeitsverhalten der geflüchteten Jugendlichen und jungen Erwachsenen beeinflussen.
Eine positive Einstellung dieser Erziehungs- und Betreuungspersonen zu Ihrem Unternehmen ist das A und O für eine gute, kooperative Zusammenarbeit. Die Begegnung auf Augenhöhe, Partnerschaftlichkeit, gegenseitiger Respekt sowie Wertschätzung spielen eine bedeutende Rolle für einen erfolgreichen Ausbildungsverlauf, denn die genannten Personen sind ernst zu nehmende Experten für ihre "Schützlinge".
Nachfolgend finden Sie ausgewählte Beispiele zur Realisierung möglicher Informationsveranstaltungen für Familienangehörige und Betreuer/-innen:
Berufsorientierung für Erziehungsberechtigte und Betreuer/-innen:
Gemeinsam mit den Jugendlichen bekommen Betreuer/-innen und Familienangehörige die Möglichkeit, sich bei Ihnen vor Ort über Ihre Ausbildungsmöglichkeiten zu informieren. Dafür können Sie - gegebenenfalls in Kooperation mit anderen interessierten Unternehmen aus Ihrer Region - für einige Stunden Ihre Betriebstore öffnen. Konkret und praxisnah stellen Unternehmer und Ausbilder beim "Eltern-Day" Ausbildungsgänge und Entwicklungsmöglichkeiten vor. Erziehungsberechtigte und Betreuer/-innen können sich über das große Angebot von Ausbildungsberufen und Studiengängen orientieren.
Durchführung einer (feierlichen) Auftaktveranstaltung zu Beginn der Ausbildung: Erziehungsberechtigte und Betreuer/-innen lernen hier den Ausbildungsort des Kindes kennen. Eine solche Veranstaltung zu Ausbildungsbeginn stellt gewissermaßen einen "Startschuss" für alle Beteiligten dar. Insbesondere den Geflüchteten wird damit die große Bedeutung einer beruflichen Erstausbildung deutlich gemacht. Folgender Ablauf ist denkbar:
"Betreuer-Stammtisch":
Viele Angehörige oder Betreuer/-innen wünschen sich die Möglichkeit eines ungezwungenen Gesprächs mit Ihnen als Ausbilderin oder Ausbilder. Gerne! Bieten Sie doch einfach zu bestimmten Zeitpunkten - zum Beispiel einmal im Quartal oder halbjährlich - ein Elterncafé oder einen Elternstammtisch an, an dem natürlich auch die Betreuer/-innen Geflüchteter teilnehmen können.
Regelmäßige Einzelgespräche:
Ausbilder/-innen tauschen mit den Erziehungsberechtigten oder Betreuern und Betreuerinnen der Azubis ihre Wahrnehmungen aus und stellen fest, dass sie ganz unterschiedliche Sichtweisen auf sie haben. Dies kann genutzt werden, um die Azubis im Ausbildungsfortschritt zu unterstützen. Jeder kann in seiner Rolle dazu beitragen.