Lerntypen - leistungsstarke Jugendliche

  • Wieso versteht mich mein Azubi nicht?

    Sie kennen das aus Erfahrung: Jede/-r Auszubildende geht unterschiedlich mit Lern- und Arbeitsaufgaben um und zeigt Stärken und Schwächen eher in der Theorie oder in der Praxis.

    Jede Berufsbranche hat ihre eigenen bevorzugten Lerntypen und jeder Ausbilder und jede Ausbilderin bevorzugt andere Unterrichtsmethoden. Um die unterschiedlichen Lerntypen in der theoretischen und praktischen Unterweisung zu erreichen, ist es ratsam, die Inhalte für alle verständlich zu "transportieren". Je mehr die Art und Weise, in der Lerninhalte bearbeitet werden, variiert, umso vielfältiger sind die Möglichkeiten des Motivierens, Erinnerns und Behaltens bei unseren Azubis.

    Bei Gruppenarbeiten ist es hilfreich, unterschiedliche Charaktere und Lerntypen zu erkennen und ihre Qualitäten so zu kombinieren, dass sie einander ergänzen und dass Azubis voneinander und miteinander lernen können.

  • Welche Lerntypen gibt es?

    Es gibt unterschiedliche Ansätze, Lerntypen und -stile zu kategorisieren. Am bekanntesten ist die Unterscheidung nach "Aufnahmekanälen", d.h. nach dem Sinnesorgan, über das die Person theoretische Informationen und praktische Fertigkeiten verarbeitet.

    Nach Aufnahmekanälen unterscheidet man vier verschiedene Lerntypen. In der Praxis begegnen sie uns meist als Mischtypen:

    • Der auditive Lerntyp: Ihr Azubi kann mündliche Arbeitsaufträge, Erklärungen und Vorträge leicht verstehen, wiederholen, zusammenfassen und über einen längeren Zeitraum behalten.
    • Der visuelle Lerntyp: Die Azubis merken sich alles gut, was sie selbst gelesen oder gesehen haben. Schriftliche Unterlagen, eigene Notizen, Bilder, Videos und Grafiken sind für sie der Zugang zu Lerninhalten. Sie schauen sich auch die Tätigkeiten einfach von anderen ab. Selbst Arbeiten, die verschiedene Schritte beinhalten, können sie vollständig nacharbeiten und wiedergeben.
    • Der kommunikative Lerntyp: Hier steht die sprachliche Auseinandersetzung mit dem Lernstoff im Vordergrund. Die Auszubildenden erschließen sich den Lerninhalt im fachlichen Lehrgespräch, in der Diskussion und im Austausch mit Kollegen und Kolleginnen . Ihr Azubi erarbeitet sich so die gewünschten Aufträge und besorgt sich hierzu aus dem Kollegenkreis selbstständig die dazu benötigten Informationen.
    • Der motorische Lerntyp: Die Azubis begreifen die gestellten Aufgaben am besten, wenn sie "be-greifen" können. Das aktive Handeln und Ausprobieren ist für die Erarbeitung von Lerninhalten und Arbeitsschritten zentral. Das gilt sowohl für praktische als auch für theoretische Aufgaben (z.B. Durchrechnen von Übungsaufgaben, Anwendung von Formeln).
  • Wie kann ich diese Lerntypen am besten unterstützen?

    • Den auditiven Typ: Ihre Azubis benötigen abseits des Tagesgeschäfts genügend Ruhe zum Lernen und Trainieren in Ihrem Betrieb. Achten Sie auf eine ruhige Lernatmosphäre, sprechen Sie einzelne Schritte mit ihnen durch, lassen Sie Herangehensweisen mit eigenen Worten erklären, kommentieren Sie Ihre praktischen Unterweisungen ("Was mache ich jetzt und warum?").
    • Den visuellen Typ: Geben Sie Ihren Auszubildenden die Möglichkeit, eigene Arbeitsmappen mit entsprechenden Bildern und Grafiken zu erstellen. Machen Sie viel vor, stellen Sie Lernvideos oder Animationen zur Verfügung.
    • Den kommunikativen Typ: Gestalten Sie eine Unterweisung nicht als Monolog, sondern als entwickelndes Lehrgespräch. Dabei werden die Zuhörer/-innen aktiv durch Rückfragen, Nachfragen und Abfragen in die Darstellung des Lerninhalts eingebunden. Stellen Sie Fragen nach "wie, warum, weshalb" und lassen Sie die Azubis selbst überlegen und begründen.
    • Den motorischen Typ: Lassen Sie Ihre Azubis ruhig "mal machen", denn Übungen und Aufträge selbst zu erstellen und auszuprobieren, macht diesem Lerntyp besonders viel Spaß. Informationen können besonders gut behalten werden, wenn sie durch Bewegung unterstützt werden.
  • Welche weiteren Lernstile gibt es?

    Je nach persönlichem "Temperament" unterscheiden vier weitere Lernstile, die eher das Verhalten von Personen in den Mittelpunkt stellen.

    Zusammengefasst geht es um folgende Persönlichkeitsmerkmale, die individuell mehr oder weniger stark ausgeprägt sein können:

    Der Nähetyp oder Aktivist

    Dieser Typ ist eher zwischenmenschlich und emotional orientiert. Konzepte und Theorien sind für ihn nur dann interessant, wenn man sich mit Kolleginnen und Kollegen darüber austauschen kann. In dieser Arbeitsform kann der Aktivist Intuition und assoziatives Denken einbringen. Andererseits lässt sich dieser Typ leicht von anderen Einflüssen und Anregungen ablenken und verliert dabei das Ziel aus den Augen.
    Lernunterstützung für diesen Typ sind Aufgaben, an denen ausdauernd und konzentriert gearbeitet werden muss.

    Der Dauertyp oder Empiriker

    Personen dieser Kategorie sind eher zurückhaltend und introvertiert. Sie arbeiten strukturiert, kontrolliert und gewissenhaft. Das kann dazu führen, dass sie etwas langsamer vorankommen und es ihnen Schwierigkeiten bereitet, mehrere Dinge parallel zu bearbeiten oder sich flexibel auf neue Rahmenbedingungen einzustellen.

    Lernunterstützung für diesen Typ bieten Aufgaben, in denen mehrere Azubis zusammenarbeiten und sich abstimmen müssen. Auch Aufgaben, die Kreativität und Visionen fördern, sind in diesem Fall eine Bereicherung (auch wenn sie zunächst als Herausforderung gesehen werden).

    Der Distanztyp oder Theoretiker

    Diese Personen gehen logisch, analytisch und rational vor und sind sehr an Hintergründen und Details interessiert. Sie kommen gut mit systematischen Vorgehensweisen zurecht, es fehlt ihnen aber oft an eigener Initiative und Risikobereitschaft, etwas Neues auszuprobieren.
    Eine gute Lernunterstützung für solche Personen ist, sie in Gruppenarbeiten und Projekte einzubinden, die sehr zielorientiert zu bearbeiten sind und bei denen auch kreative Methoden eingesetzt werden müssen.

    Der Wechseltyp oder Experimentator

    Bei diesem Lernstil steht das aktive, praktische Handeln im Mittelpunkt. Leistungswille und Verantwortungsbewusstsein sind vorhanden und "Learning by doing" in Projekt- und Gruppenarbeiten werden gut gemeistert. Unterstützung im Lernprozess brauchen Personen dieses Lerntyps dann, wenn Handlungen zunächst durchdacht und reflektiert werden müssen und zu viel Intuition eher hinderlich ist. Lern- und Arbeitsaufgaben sollten für sie so gestaltet sein, dass sie sich zunächst theoretisch einarbeiten müssen, um ihr praktisches Ergebnis fachgerecht ausführen zu können.

  • Welche Besonderheiten kann es bei Abiturienten und Abiturientinnen sowie Studienabbrechern und Studienabbrecherinnen in Bezug auf Lerntyp und -stil geben?

    Aufgrund ihrer Schul- und Studienerfahrung sind Abiturienten, Abiturientinnen und Studierende vornehmlich das (Auswendig-)Lernen aus Büchern und eigenen Mitschriften gewohnt. Der Wechsel in die Berufsausbildung ist mit einem Wechsel zur Handlungsorientierung verbunden. Arbeitsabläufe werden also in der Praxis umgesetzt. Dabei ist es gleich, ob es nun um Kundengespräche, Programmierungen, das Herstellen von Produkten oder das Bedienen von Werkzeugen und Maschinen geht.

    Im Extremfall treffen hier also die theoretisch-empirischen Typen auf motorisch-kreative Herausforderungen. Das muss aber nicht hinderlich sein. Oft entspricht für Studienabbrecher/-innen, Abiturienten und Abiturientinnen ja genau das ihren Erwartungen, nämlich in der Ausbildung etwas Praktisches tun und sichtbare Ergebnisse zu erreichen oder theoretische Kenntnisse direkt in der Praxis einsetzen zu können.

    Nutzen Sie die Stärken der "Empiriker" und fördern sie die motorisch-kreativen Seiten ihres Berufs gezielt durch entsprechende Aufgaben und angemessenen Handlungsspielraum.

 
 
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