Berufsorientierung für Geflüchtete

  • Welchen Nutzen hat mein Betrieb aus meinem Engagement in der Berufsorientierung für Geflüchtete?

    Mit Ihrem Engagement geben Sie einerseits jungen Geflüchteten die Chance auf einen erfolgreichen Eintritt ins Berufsleben und leisten damit einen wichtigen Schritt zur Integration. Dieses aktive Wahrnehmen sozialer Verantwortung kann sich auch in positiver öffentlicher Berichterstattung über Ihren Betrieb niederschlagen. Zudem profitiert Ihr Betrieb ganz konkret davon, potenzielle Auszubildende genauer kennenzulernen und die Passung zwischen Ihrem Betrieb und Bewerber/-innen überprüfen zu können.

  • Welche Bedeutung und Ziele hat die Berufsorientierung?

    Die Berufsorientierung hat im Rahmen der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten eine besondere Bedeutung. Durch Berufsschulbesuch, Informationsgespräche und Praktika kommen viele Geflüchtete zum ersten Mal mit dem Begriff „Berufsausbildung“ in Kontakt. In den meisten Herkunftsländern werden „Berufe“ mit einer (fach-)schulischen oder akademischen Ausbildung verbunden. „Duale Ausbildung“, die nach deutschem Muster hauptsächlich im Betrieb stattfindet, ist in den Herkunftsländern unbekannt.

    Je nach sozialer Herkunft und Herkunftsland lassen sich Jugendliche und junge Erwachsene unter den Flüchtlingen grob in zwei Gruppen einteilen:

    •  jugendliche Geflüchtete mit mehr als acht Jahren schulischer Bildung, die in ihrer Heimat eine berufliche Fachschulausbildung oder ein Studium begonnen oder angestrebt haben
    • jugendliche Geflüchtete mit weniger als acht  Jahren oder ohne schulische Bildung, die in ihrer Heimat im elterlichen Betrieb, als Hilfs- oder Gelegenheitsarbeiter/-innen oder selbstständig gearbeitet haben.

    Sofern Geflüchtete mit geringer Schulbildung in ihrer Heimat bereits in Handel, Gewerbe, Landwirtschaft oder Handwerk gearbeitet haben, haben sie ihre Fähigkeiten meist durch „learning by doing“ am Arbeitsplatz erworben und nie eine Prüfung abgelegt oder ein Zeugnis für ihre Qualifikation bekommen. Die Wirtschaftsstruktur in den Herkunftsländern ist oft durch Kleinbetriebe in Handel und Handwerk geprägt. Selbstständigkeit als Kleinstunternehmer/-in z.B. im informellen Sektor verlangt, anders als in Deutschland, in Herkunftsländern keine Zeugnisse oder Zulassungen. Für diese Zielgruppe ist es neu, dass auch handwerkliche und gewerbliche Berufe festgelegte theoretische und praktische Inhalte haben und erst durch eine Prüfung anerkannt werden.

    Grundfertigkeiten und Kenntnisse im gewerblichen, technischen oder administrativen Bereich bringen Jugendliche mit, die die Möglichkeit hatten, eine berufliche (Fach-)Schule zu besuchen. Hier ist die Anpassungsqualifizierung an Technologie, Arbeitsweise und berufliche Praxis in Deutschland die wichtigste Aufgabe.

    Für Geflüchtete, die einen akademischen Abschluss angestrebt haben und die in Deutschland zunächst keine Möglichkeit haben, eine Hochschule zu besuchen, wird die Option „Berufsausbildung“ vielleicht zunächst einmal als Rückschritt wahrgenommen. Für diese Gruppe kann die Berufsausbildung aber eine solide Grundlage für ein späteres Studium sein oder auch eine gute Möglichkeit, sich nach Interessen und Fähigkeiten in eine ganz neue berufliche Richtung zu entwickeln.

    Für viele Geflüchtete aus beiden Gruppen sind Hilfsarbeiten zunächst attraktiver, weil sie im Vergleich zu einer Ausbildung besser bezahlt sind. Dass eine Ausbildung eine Investition in die Zukunft ist und langfristig bessere Perspektiven am Arbeitsmarkt eröffnet, sollte ihnen besonders deutlich gemacht werden.

    Die Berufsorientierung beginnt also damit, unser System der dualen Ausbildung einem Außenstehenden verständlich zu machen. Dazu gehören die Vielfalt der Berufe, die Dauer der Ausbildung, die Aufteilung in Theorie und Praxis, die Rolle des Betriebs und der Berufsschule, die Prüfungen und die Zukunftsperspektiven. Welche Möglichkeiten bietet ein Ausbildungsabschluss, welche Fortbildungen können sich anschließen, wie ist die Durchlässigkeit zur Hochschulbildung?

    Die Berufsorientierung soll Jugendlichen eine unmittelbare Auseinandersetzung mit den eigenen Interessen und Neigungen sowie ihren beruflichen Vorstellungen ermöglichen: Am Ende der Berufsorientierung sollen sich die Jugendlichen für einen Beruf entschieden haben und diesen auch während der Ausbildung beibehalten. Davon profitieren auch Sie als Ausbildungsbetrieb! Zum einen sind junge Menschen natürlich motivierter und engagierter, wenn sie den für sich richtigen Beruf gewählt haben. Zum anderen verursachen Ausbildungsabbrüche sowohl für die Betriebe als auch für die Jugendlichen einen hohen Schaden und sollten nach Möglichkeit im Vorfeld vermieden werden.

     

    Film zur Berufsorientierung der HWK Karlsruhe

  • Welchen Beitrag kann mein Betrieb zur Berufsorientierung leisten?

     

    Geflüchtete über 18 Jahren besuchen verpflichtend einen Integrationskurs, in dem auch das Thema „Arbeit, Beruf und Studium“ behandelt wird. Geflüchtete Minderjährige sind (je nach Bundesland) von 16 bis 21 Jahren schulpflichtig und besuchen Berufsintegrationsklassen der Berufsschulen. Hier können Sie sich auf verschiedene Arten einbringen:

    • In den Integrationskursen: Ihr Betrieb kann sich in den Kursen mit Berufspräsentationen durch Ihre Betriebsangehörigen bekannt machen. Sprechen Sie die Träger der örtlichen Integrationskurse darauf an.
    • In der Berufsintegrationsklassen der Berufsschulen: Ihr Betrieb kann sich in den Kursen mit Berufspräsentationen durch Ihre Betriebsangehörigen bekannt machen oder berufsbezogene Projekte (z.B. Bau einer Grillhütte, Anlegen eines Biotops) sowie Praktika und Einstiegsqualifizierungen anbieten. Wenden Sie sich dafür an die lokale Berufsschule.
    • Im eigenen Betrieb: In Ihrem Betrieb können Besichtigungen, Schnupper-, Tages- oder Langzeitpraktika angeboten werden. Auch die Einstiegsqualifizierung (sechs bis zwölf Monate) als Vorbereitung auf eine Ausbildung kann sinnvoll sein, um Grundfertigkeiten und -kenntnisse zu vermitteln.
  • Was ist bei Berufs- und Betriebspräsentationen zu beachten?

    Setzen Sie bei Betriebs- und Berufspräsentationen viele Bilder, Fotos, Grafiken und kleine Videoclips ein. Bringen Sie Ihr Produkt oder ein Modell davon mit, erläutern Sie Ihre Dienstleistung anschaulich. Stellen Sie Mitarbeiter/-innen vor, die in Ihrem Betrieb arbeiten, und erzählen Sie von deren täglichen Aufgaben.

    Machen Sie auch deutlich, was Ihr Betrieb von Praktikanten erwartet und was sie mitbringen müssen.

  • Was soll mein Betrieb bei der Umsetzung von Praktika beachten?

      • Stellen Sie fest, ob Ihr/-e Praktikant/-in außerhalb der Schule und der Ausländerbehörde eine ehrenamtliche Betreuungsperson hat, z.B. aus dem lokalen Flüchtlingsnetzwerk der Stadt oder der (Kirchen-)Gemeinde, dem SES (Senioren Expert Service) im Rahmen des VerA-Projekts o.Ä. Binden Sie diese Vertrauensperson in die Planung und Durchführung des Praktikums ein. Ehrenamtliche Betreuer/-innen kennen die geflüchteten Jugendlichen oft schon länger und können Ihnen Auskunft und Unterstützung geben.
      • Bestimmung einer Betreuungsperson im Betrieb: Der/die Praktikant/-in benötigt eine feste Ansprechperson im Betrieb, die sie oder ihn während des gesamten Zeitraums des Praktikums betreut: also die Aufgaben abspricht, sich danach erkundigt, wie er/sie zurechtkommt, und die Kontakt zur Ausländerbehörde, ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern und der Berufsschule hält. Empfehlenswert ist auch eine Patin oder ein Pate, die möglichst im gleichen Alter ist und im Tagesgeschäft Hilfestellung geben und Praktikumsaufgaben betreuen kann.
      • Festlegung geeigneter Praktikumszeiten und -dauern: Vor Praktikumsbeginn sollte Ihr Betrieb mit der Schule und der zuständigen Ausländerbehörde klar vereinbaren, wie lange und zu welchen Zeiten beziehungsweise an welchen Tagen das Praktikum stattfindet. Auf diese Weise können sowohl Schule als auch Ihr Betrieb das Praktikum realistisch planen.
      • Gemeinsame Festlegung von Inhalten und Zielen mit Schule und dem Praktikanten oder der Praktikantin: Ein wesentlicher Punkt ist die Festlegung der Inhalte und Ziele vor Beginn des Praktikums. Nur auf diese Weise ergibt das Engagement Ihres Betriebs Sinn. Sollen Jugendliche einen Einblick in die Branche oder in einen bestimmten Beruf erhalten? Oder geht es bereits um ein potenzielles Ausbildungsverhältnis? Grundsätzlich aber sollten die Jugendlichen stets etwas aus dem Praktikum in Ihrem Betrieb mitnehmen können und Einblicke gewinnen: Monotone Tätigkeiten, etwa 14 Tage lang lediglich Briefmarken zu kleben oder den Hof zu kehren, vermitteln ein falsches Bild von der täglich anfallenden Arbeit in einem Betrieb.
      • Abschluss einer Praktikumsvereinbarung: Eine Praktikumsvereinbarung abzuschließen, hat sich in der Praxis sehr bewährt. Neben den bereits genannten Punkten sollen hier auch Vereinbarungen zum Versicherungsschutz oder für den Fall auftretender Probleme festgehalten werden. Weiterhin können die Jugendlichen durch ihre Unterschriften selbst beteiligt und so in die Verantwortung genommen werden.
      • Regelmäßiger Kontakt zur Schule: Insbesondere bei Langzeitpraktika ist es wichtig, dass zwischen Ihrem Betrieb, der Ausländerbehörde und der Schule regelmäßig Kontakt besteht. Auf diese Weise können sowohl positive als auch negative Entwicklungen besprochen und für die weitere Arbeit mit den Jugendlichen genutzt werden. In der Regel wird dieser Austausch vonseiten der Schule aktiv umgesetzt. Sollte dieser jedoch über die Zeit einschlafen, scheuen Sie sich nicht, diesen einzufordern.
      • Feedback geben: Für Geflüchtete, die sich im deutschen Arbeitsleben auf völligem Neuland bewegen, ist es besonders wichtig, Feedback über ihre Leistung zu bekommen. Es empfiehlt sich, zu jeder Aufgabe im Praktikum eine Einschätzung abzugeben und die Selbsteinschätzung der Jugendlichen einzuholen. Am Ende des Praktikums ist ein Gespräch mit den Jugendlichen für die weitere Entwicklungsförderung sehr wichtig. Hier können z.B. Fähigkeiten, Talente und die berufliche Passung, aber auch Schwierigkeiten und Probleme zum Thema gemacht werden.
      • Welche Besonderheiten muss ich bei einem jungen Geflüchteten im Praktikum beachten?

        • Berücksichtigen Sie die deutschen Sprachkenntnisse des Praktikanten. Die Verständigung sollte möglichst einfach und klar sein. Vermeiden Sie Dialektsprache und sprechen Sie verständlich. Nehmen Sie bildhafte Darstellungen zu Hilfe und lassen Sie ihre Praktikanten Vokabellisten mit Fachwörtern führen, die zwischendurch immer mal wieder abgefragt werden. Wenn englische Sprachkenntnisse vorhanden sind, setzen Sie eine/-n Praktikantenbetreuer/-in oder einen Paten oder eine Patin ein, der/die selbst ein wenig Englisch spricht.
        • Wählen Sie vor allem viele unterschiedliche, kleine praktische Aufgaben für das Praktikum aus. Beginnen Sie mit den Arbeiten, in denen der Geflüchtete eventuell schon Erfahrungen hat. Sie können dann schneller sehen, wo die Neigungen und Fähigkeiten des Praktikanten liegen.
        • Für viele geflüchtete Jugendliche ist das Praktikum enorm wichtig, weil es sie für eine Ausbildung empfiehlt. Der Druck auf junge Geflüchtete ist damit sehr groß: Ein zukünftiger Ausbildungsplatz gibt ihnen im Rahmen der 3+2-Regelung einen langfristigen Aufenthaltsstatus. Achten Sie also darauf, dass sich ihre Praktikanten nicht selbst überfordern und gehen sie großzügig mit Fehlern und Missgeschicken um. Machen Sie aber auch deutlich, auf welche Dinge Sie besonderen Wert legen und warum das so ist (z.B. Arbeitssicherheit, Ordnung und Sauberkeit, Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen, Umgang mit Kundinnen und Kunden, ...)
        • Grundlage eines gelungenen Praktikums ist das Vertrauen und die Sicherheit, die die Geflüchtete schon während des Praktikums in ihrem Betrieb erleben.
      • Was kann ich denn bei Problemen im Praktikum tun?

        Suchen Sie zunächst das Gespräch mit dem Praktikanten oder der Praktikantin und versuchen Sie, gemeinsam eine Lösung zu finden. Je nach Schwere des Problems sollten Sie sowohl die Berufsschule als auch die Ausländerbehörde informieren und einbinden. Manchmal haben geflüchtete Jugendliche schon aufgrund ihrer Versagensängste und der oftmals traumatischen Fluchterfahrungen (siehe dazu die Wissensbausteine "Umgang mit Traumatisierungen bei Geflüchteten" und "Indirekte Traumatisierung") die Tendenz, sich bei Problemen im Praktikumsbetrieb zurückzuziehen und nicht mehr zu erscheinen, ohne dies der Schule mitzuteilen. Auch aus diesem Grunde sollten Sie regelmäßig und bei Problemen auch rasch den Kontakt mit der Schule, der Ausländerbehörde und ggf. der ehrenamtlichen Betreuungsperson suchen.

       
       
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