Stimmt: Mit der Ausbildereignungsprüfung und diversen Fortbildungen für Ausbildungspersonal haben Sie schon viel wichtiges Wissen für Ihre Tätigkeit gesammelt. Allerdings verlangt der betriebliche Alltag Ihnen auch einiges ab: Sie sind nicht nur für die Ausbildung verantwortlich, sondern haben daneben viele weitere Aufgaben. Da ist es eine große Herausforderung, sich in angemessenem Rahmen Zeit für Auszubildende zu nehmen, auf Probleme überlegt zu reagieren oder - allgemein gesagt - alles Wissen auch in die Praxis umzusetzen.
Der englische Begriff "to coach" bedeutet so viel wie "betreuen, trainieren". Er wurde in Großbritannien und den USA zunächst vor allem im sportlichen Bereich verwendet, hat sich inzwischen jedoch für viele andere Trainings- und Beratungsaktivitäten eingebürgert. Auch Ausbilder/-innen werden häufig fälschlicherweise als Coach bezeichnet, wenn es um ihre Rolle als Lernbegleiter/-innen für den Nachwuchs geht. Ein Coach muss jedoch eine entsprechend fundierte Ausbildung durchlaufen haben und zertifiziert sein.
Ausbilder/-innen können sich bei ihrer Tätigkeit selbst auch coachen lassen. Wichtig beim Coaching ist, dass derjenige, der das Coaching in Anspruch nimmt, das Ziel der Reise selbst bestimmt. Der Coach steht lediglich bei der Wahl und Bewältigung des Weges helfend zur Seite.
Zu Beginn des Coachings wird geklärt: "Wohin soll die Reise gehen? Wo will ich hin?" Die Ziele werden erreicht, indem der/die begleitete Ausbilder/-in die vereinbarten Schritte in die Praxis umsetzt. Entscheidend für die Wahl der Lösungsmöglichkeiten ist immer die Praxis: "Wie ist der Betrieb organisiert? Welche Möglichkeiten stehen dem/der Ausbilder/-in zur Verfügung? Was passt zur Ausbildungsgruppe?" Das Coaching endet nach einem vereinbarten Zeitraum.
Ausbildercoaching wird grundsätzlich so gestaltet, dass es zur Situation des Ausbilders oder der Ausbilderin und des Betriebs passt. Deswegen gleicht kein Ausbildercoaching dem anderen. Das folgende Beispiel zeigt einen möglichen Verlauf:
Ein mittelständisches Unternehmen bildet seit der Unternehmensgründung erfolgreich für den eigenen Bedarf aus. Seit einigen Jahren zeigen sich jedoch neue Herausforderungen: Die Ausbildungsgruppen werden immer heterogener (schulisch schwächere Auszubildende treffen auf leistungsstarke Jugendliche), es gibt problematische Verhaltensweisen (Konzentrationsdefizite, Unpünktlichkeit, hohe Fehlzeiten), Ausbildungsabbrüche und zu wenig geeignete Bewerbungen für IT Berufe.
Die beiden Geschäftsführerinnen sind zugleich Ausbilderinnen, haben aber nur wenig Zeit für das Thema Ausbildung. Deshalb buchen sie ein Ausbildercoaching. Als Auftrag für die Gewinnung und gute Einarbeitung von Abiturienten und Hochschulabbrechern wird formuliert:
Angelehnt an den zeitlichen Verlauf des Ausbildungsjahres wird für neue Auszubildende mit Abitur oder Studienerfahrung unter anderem die Einarbeitung im Betrieb thematisiert, aber auch die Förderung von Arbeitsmotivation, zielgruppengerechte Unterstützung durch die Ausbilder, und das Ausbildungsmarketing sind Gegenstand des Coachings.
Zu Beginn werden alle Themen als Problemlage formuliert, zum Beispiel:
"Unsere Azubis mit Abitur sind zwar sehr selbständig, aber oft "Einzelkämpfer" und machen Lieferzusagen gegenüber den Kunden ohne Rücksprache mit ihrem Vorgesetzten oder ihren Kollegen." Anstatt auf diese Beobachtung mit einer Problemanalyse und eventuellen Schuldzuweisungen an Schule oder Elternhaus zu reagieren, fragt der Coach, wie die Übergabe von Aufgaben und die Begleitung durch den Ausbilder ablaufen. Die Ausbilderin: ""Ich sage ihnen, was für den Kunden erledigt werden soll und frage am Ende des Arbeitstages nach, wie es gelaufen ist."
Aufbauend auf der bisherigen Arbeitsweise wird ein neues Unterweisungsthema für die Einarbeitung entwickelt, in dem die Zusammenhänge in der Auftragsabarbeitung aufgezeigt werden. Hier wird klar herausgearbeitet, welche Entscheidungskompetenzen die Auszubildenden haben und wann sie sich bei Vorgesetzten und Kollegen rückversichern müssen. Diese Unterweisung wird zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres erprobt und mit kleinen Veränderungen in das betriebliche Ausbildungskonzept übernommen. Die Auszubildenden gewinnen nun schneller Orientierung im Betrieb, kennen Ansprechpartner/-innen und Abläufe und können sich besser einfinden. Das Ausbildungspersonal weiß, dass Entscheidungsspielräume klar definiert werden müssen.
Eine weitere Problematik, die geschildert wird, sind rückläufige Bewerberzahlen für IT-Berufe. Für das kommende Ausbildungsjahr liegt im Frühsommer noch keine Bewerbung vor. Bei der Bearbeitung des Themas wird überlegt, welche Zielgruppe erreicht werden soll – "Leute, die schon Erfahrung und Lust auf die Arbeit im IT-Bereich haben und ins Team passen; Bewerber, die sich in einem familiären Umfeld des aufstrebenden Mittelstandes wohlfühlen und Aufstiegschancen nutzen wollen" - und welche Kommunikationswege dafür genutzt werden können.
Da der Betrieb regional verwurzelt ist und die Mitarbeiter des Handwerksunternehmens viele Kundenkontakte pflegen, entsteht die Idee, Mitarbeiter/-innen und Auszubildende der höheren Lehrjahre zu "Ausbildungsbotschaftern und Ausbildungsbotschafterinnen" zu machen. In einer Besprechung wird das Ziel, neue Auszubildende für den IT-Bereich zu finden, weitergegeben, mit der Bitte, im privaten Bereich und bei Kundengesprächen auf die offenen Stellen für Abiturienten und Studienabbrecher hinzuweisen. Daneben wird das Unternehmen auf Ausbildungsmessen vertreten sein und es werden Stelleninformationen in kommunalen Mitteilungsblättern veröffentlicht. Regionale Beratungsstellen der Kammern und Hochschulen werden von den Geschäftsführerinnen über offene Stellen informiert. Auf diese Weise können innerhalb weniger Wochen zwei geeignete Auszubildende akquiriert werden.
Als Ausbilderin oder Ausbilder profitieren Sie in mehrfacher Weise vom Coaching:
Ausbildercoaching in der beschriebenen Form wird zum Beispiel von der Evangelischen Jugendsozialarbeit (EJSA) Rothenburg. Es ist kein flächendeckendes Angebot.
Ähnliche Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie aber auch bei Ihrer Kammer oder bei Bildungsträgern in Ihrer Region. Beispielsweise bietet das Aus- und Weiterbildungszentrum Schwerin seinen Partnerbetrieben sogenannte "Service-Ausbilder" an, die in den Betrieb kommen, dort geeignete Arbeitsaufgaben für die Azubis identifizieren und die innerbetrieblichen Ausbilder/-innen bei ihrer Arbeit unterstützen.
Job-Coaching für Ausbildungspersonal bieten viele Weiterbildungsanbieter, Trainer/-innen und Berater/-innen an. Schauen Sie genau hin, welche Ausbildung und Erfahrung die Coaches für Ihre konkrete Problemstellung haben. Es ist nicht überall Coaching drin, wo Coaching draufsteht – nicht jeder Coach hat eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung. Andererseits kann auch ein/-e erfahrene/-r Berater/-in Sie bei der Entwicklung von Problemlösungen und Konzepten unterstützen.
Ausbilder/-innen können sich natürlich auch untereinander "coachen". In diese Richtung zielt das Internet-Forum für Ausbilder/-innen des BIBB foraus.de, auf dessen Seiten Ausbilder/-innen (auch anonym) Fragen stellen und Antworten von Kollegen aus anderen Betrieben erhalten können.