Verschuldung geflüchteter Azubis

  • Welche Auswirkungen kann Verschuldung auf meinen Azubi haben?

    Viele Jugendliche und junge Erwachsene sind heute verschuldet. Wenn ein Azubi finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann, entsteht eine "Überschuldung", die einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss gefährden kann.

    Bei Jugendlichen mit Fluchthintergrund ist Überschuldung ein häufiges Problem. Überschuldete Geflüchtete sehen meist keinen Ausweg aus ihrer Situation und neigen dazu, das Problem zu verdrängen. Oft wird Post nicht mehr geöffnet, der Überblick geht völlig verloren. Die Jugendlichen werden in den seltensten Fällen von sich aus das Problem ansprechen. Wenn das Problem zur Sprache kommt, versuchen die Betroffenen meist, es zu verharmlosen.

    Eine Folge der Überschuldung: Motivation und Einsatzbereitschaft der Auszubildenden sinken, da sie keine Möglichkeit mehr erkennen, aus ihrer Situation herauszukommen. Überschuldung wird von den Betroffenen meist als unüberwindlicher Berg gesehen und ist mit dem Gefühl der Scham verbunden. Klar ist: Überschuldung erfordert professionelle Unterstützung!

    Anzeichen einer Überschuldung können häufige Fehlzeiten, Unzuverlässigkeit und mangelnde Motivation sein. Spätestens wenn eine Lohnpfändung eingeht, wird deutlich, dass der Azubi seine Finanzen nicht im Griff hat. Ein weiteres Alarmzeichen kann auch eine sich verschlechternde Körperhygiene infolge einer Strom-, Gas- oder Wasserabsperrung sein.

  • Warum kommt mein Azubi mit seinem Geld nicht klar?

    Haben Geflüchtete eine Ausbildung begonnen, verfügen sie oft erstmals über selbstverdientes eigenes Geld. Die Ausbildungsvergütung liegt meist über dem Satz für Grundleistungen und Taschengeld, der Asylbewerbern und Asylbewerberinnen zusteht. Erhalten Azubis als anerkannte Flüchtlinge Sozialleistungen und Hilfen zum Lebensunterhalt, wird das Einkommen auf diese Leistungen angerechnet. In jedem Fall müssen die Azubis mit ihrer Ausbildungsvergütung gut haushalten, um über die Runden zu kommen.

    Finanzieller Spielraum für die begehrten Statussymbole von Jugendlichen wie Smartphones und Markenklamotten oder Discobesuche ist praktisch nicht vorhanden.

    Wer sich diese Statussymbole nicht leisten kann, gehört nicht dazu und wird von der Klassengemeinschaft oder der Clique oft nicht voll akzeptiert oder ganz ausgeschlossen. Junge Geflüchtete, die in der Öffentlichkeit häufig allein wegen ihrer Hautfarbe oder Erscheinung auf Ablehnung stoßen, wollen sich schon aus diesem Grund mit altersgerechter und moderner Kleidung anpassen. Sie weisen aber oft auch mangelndes Selbstbewusstsein, Minderwertigkeitsgefühle und Selbstkontrollschwäche auf. All dies dann beim ersten eigenen Einkommen zu unkontrolliertem Einkaufs- und Konsumverhalten führen.

    Die Gründe, in die Verschuldungsfalle zu geraten, treffen teilweise sowohl auf deutsche wie auch auf geflüchtete Jugendliche zu. Andere sind auf die spezifische Situation von Geflüchteten zurückzuführen.

    Zu hohe Handy-Kosten
    Für Geflüchtete ist das Handy die einzige Möglichkeit, Kontakt in die Heimat und zu Familienangehörigen zu halten, und damit extrem wichtig.

    Die Werbung mit kostenlosen oder sehr billigen Handys (in Verbindung mit teuren Verträgen mit langer Laufzeit), um junge Kunden zu gewinnen, verschweigt die Fixkosten und anfallenden Kosten für Auslandgespräche. Geflüchtete fallen auf diese Geschäftsbedingungen herein, weil sie sie nicht lesen und verstehen können. Allein die Kosten für die Handynutzung können im Einzelfall auf monatlich über 1.500 Euro steigen, eine Gebührenrechnung von monatlich mehr als 100 Euro gilt häufig als normal.

    Ratenzahlung bei Geschäften im Internet
    Geschäfte und Versandhäuser werben mit einfacher Ratenzahlung. Junge Menschen können die Folgekosten solcher Verträge oder Kredite meist nicht überblicken und geraten so in die Schuldenfalle: Das Handeln von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist stark gefühls- und impulsgesteuert und weniger planvoll. Geflüchtete sind mit der westlichen Konsumkultur nicht vertraut und lassen sich umso eher von zweifelhaften Angeboten locken.

    Teure Fitnessstudios
    Geflüchtete mit befristetem Aufenthaltsstatus kann es passieren, dass sie in Fitnessstudios anstelle von niedrigen Monatsbeiträgen teure Jahresverträge mit Vorauszahlung abschließen müssen. Studio-Betreiber wollen sich so gegen Zahlungsausfall bei Umzug oder Abschiebung absichern.

    Schulden bei Schleppern
    Für die Flucht nach Deutschland haben Flüchtlinge oder ihre Familien sehr viel Geld zahlen müssen. Nach der Ankunft in Deutschland sind häufig noch hohe Summen an Schlepper und Vermittler zu zahlen.

    Unterstützung von Familienangehörigen
    Eine sichere Ankunft in Deutschland ist meist mit der Hoffnung verbunden, mittelfristig auch die Familie im Heimatland unterstützen zu können. Eine Überweisung von (auch kleinen) Euro-Beträgen ermöglicht Familien in Syrien, Irak oder Afghanistan oft, einen Monat zu überleben. Der Druck auf die jungen Geflüchteten ist groß, von ihrem kleinen Einkommen diese Unterstützung abzuzweigen.

    Schulden bei Ämtern
    Wenn Auszubildende mit Fluchthintergrund in staatlichen Unterkünften leben und ihr monatliches Einkommen eine gewisse Grenze übersteigt, kann es je nach Bundesland vorkommen, dass Gebühren für Unterbringung, Verpflegung und Heizkosten selbst zu bezahlen sind. Das gilt auch für sogenannte Fehlbeleger/-innen, also Flüchtlinge, die bereits anerkannt sind, aber noch keine Wohnung gefunden haben und deshalb noch in der Unterkunft leben. Falls sie Arbeit haben, müssen sie die Kosten für die Unterbringung selbst aufbringen. Je nach Einkommen wird ein Freibetrag abgezogen. Dennoch müssen viele Flüchtlinge mehrere hundert Euro pro Monat zahlen – egal, ob sie sich mit drei anderen Flüchtlingen ein Zimmer teilen oder dezentral untergebracht sind.

    Miete und Nebenkosten (Heizung/Strom)
    Leben Geflüchtete in einem eigenen Zimmer oder einer Wohngemeinschaft, fallen Miete und Nebenkosten an. Dass Heizung und Strom in Deutschland teuer sind, wird von ihnen oft unterschätzt – hohe Nachzahlungen sind die Folge. Bei jungen Erwachsenen, die in einer einen eigene Wohnung leben, können auch Mietschulden bestehen, durch die eine Obdachlosigkeit droht.

    Weitere mögliche Ursachen für Verschuldung sind Suchtprobleme wie Drogenabhängigkeit oder Spielsucht.

    Schlägt die "Schuldenfalle" schließlich zu, weil der oder die Jugendliche die finanziellen Verpflichtungen nicht mehr begleichen kann, erhöht sich der Schuldenberg durch Mahngebühren, Gerichts- und Anwaltskosten enorm. Auch aus geringen Beträgen können dann hohe Forderungen werden (siehe dazu den Beitrag "Flüchtlinge in der Schuldenfalle" der Deutschen Welle).

  • Der Weg aus den Schulden: Kann ich meinen Azubi dabei unterstützen?

    Bei einem durchschnittlichen Ausbildungsentgelt kommen schnell Schulden zusammen, die ohne externe Hilfe kaum zu bewältigen sind.

    Wenn Sie die Vermutung haben, dass Ihr Azubi Geldsorgen hat, sprechen Sie ihn/sie zunächst darauf an und sagen Sie Unterstützung zu. Setzen Sie sich mit Vormund, Betreuungsperson oder Erziehungsberechtigten in Verbindung. Erörtern Sie das Ausmaß der Verschuldung zunächst gemeinsam. In der Regel bedeutet es eine große Erleichterung für Betroffene, wenn das Problem einmal angesprochen ist und sie nicht allein damit klarkommen müssen.

    Sie können Ihrem Azubi am besten helfen, indem Sie zum Besuch einer professionellen Schuldnerberatung oder der Verbraucherzentrale ermutigen und eine Kontaktadresse nennen. Dies sollte am besten in Begleitung einer Vertrauensperson geschehen, damit die Kommunikation mit den Beratern und Beraterinnen erfolgreich verläuft. Eine gute Schuldnerberatung erfordert umfangreiches Wissen, Erfahrung und juristische Kenntnisse, über die nur qualifizierte Institutionen verfügen können. Eine professionelle Schuldnerberatung wird im Gespräch neben der Prüfung der Forderungen und Verhandlungen mit den Gläubigern auch die Gründe der Schulden erarbeiten, um einer erneuten Verschuldung entgegenzuwirken.

    Unterstützen können Sie, indem Sie nachfragen, ob Ihr Azubi den Kontakt zur Schuldnerberatung aufgenommen hat und Sie ihm oder ihr Mut machen.

  • Hier finde ich Hilfe: Beratungs- und Unterstützungsangebote

    Hier finden Sie eine Auswahl hilfreicher Apps und Online-Anwendungen, die den Umgang mit Geld spielerisch verbessern und helfen können, Finanzen unter Kontrolle zu halten (gute Sprachkenntnisse sind erforderlich):

    Schuldnerberatungsstellen gibt es in Deutschland in nahezu jeder Stadt und jedem Landkreis. Sie sind in der Regel entweder direkt bei der Stadt- oder Kreisverwaltung angesiedelt oder werden von Wohlfahrtsverbänden wie AWO, Diakonie, Caritas, DPWV usw. getragen. Eine seriöse Schuldnerberatung ist zunächst kostenfrei. Nur wenn ein Privatinsolvenzverfahren erforderlich wird, entstehen Kosten. Daneben gibt es auch kommerzielle Anbieter, die oft in Anzeigenblättern werben. Grundsätzlich ist jedoch immer der Besuch einer kostenfreien Schuldnerberatung zu empfehlen. Deren Kontaktadresse können Sie bei der örtlichen Stadtverwaltung oder dem Sozialamt erfragen. Teilweise gibt es Wartezeiten.

    Alternativ können Sie die nächstgelegene Schuldnerberatungsstelle auch beim Forum Schuldnerberatung recherchieren.

    Weitergehende Informationen finden Sie bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung.

    oder: Der Verlag für Rechtsjournalismus hat vor kurzem den Ratgeber-Artikel: www.schuldnerberatungen.org/schulden-abbauen/ mit wichtigen und interessanten Fragen aktualisiert.

    Eine weitere Anlaufstelle ist die Verbraucherschutzzentrale in Ihrer Nähe. Dort gibt es Schuldenberatungen speziell für Flüchtlinge und Checklisten in Deutsch, Englisch und Arabisch, auch online zum Download.

    Die Flüchtlingshilfe Baden-Württemberg hält Verbraucherschutzinfos für Flüchtlingsbetreuer/-innen bereit.

 
 
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