Im betrieblichen Alltag haben sich Praktika zur beruflichen Orientierung als gute Möglichkeit bewährt, um geeignete Auszubildende zu finden. Der Betrieb hat die Möglichkeit, die persönliche Eignung von Geflüchteten, ihre praktische Vorerfahrungen, Neigungen und Talente und auch die sprachlichen Möglichkeiten zunächst unverbindlich, aber gründlich zu prüfen. Zudem ist ein Praktikum schon eine erste Integrationsmaßnahme für Geflüchtete im Betrieb. Kontakte und Zusammenarbeit mit Kollegen und Kolleginnen, Betreuern und Betreuerinnen und Vorgesetzten fördern in der Regel die Sprachentwicklung des Praktikanten oder der Praktikantin und helfen, interkulturelle Barrieren in der Belegschaft abzubauen (mehr dazu im Wissensbaustein "Willkommenskultur gestalten").
Für Flüchtlinge ist ein Praktikum die erste Erfahrung mit der Arbeitswelt in Deutschland. Im Praktikum einen guten Eindruck zu machen und dann vielleicht einen Ausbildungsplatz zu erhalten, ist für sie ein wesentlicher Meilenstein auf dem Weg in den Arbeitsmarkt. Der Praktikant oder die Praktikantin haben erstmals die Möglichkeit, einen Betrieb und den Berufsalltag in der Praxis kennenzulernen. Die Gefahr des vorzeitigen Ausbildungsabbruchs ist wesentlich geringer bei Jugendlichen, die sich vor ihrer Ausbildung ein realistisches Bild vom Unternehmen und dem künftigen Beruf machen konnten.
Jugendliche Flüchtlinge, die oft keine Schul- oder Arbeitszeugnisse aus dem Herkunftsland vorweisen können und sich auch in Integrationsmaßnahmen (Berufsschule, Sprachkurse) schwertun, haben häufig praktische Kenntnisse und Fähigkeiten, die erst in einem Praktikum sichtbar werden können. Viele machen durch ihre hohe Motivation und Leistungsbereitschaft Defizite in anderen Bereichen wett, wenn sie erst einmal die Chance dazu bekommen!
Ein freiwilliges Praktikum zur Vorbereitung einer Berufsausbildung kann die Gefahr einer personellen Fehlentscheidung deutlich vermindern und rechtfertigt den Mehraufwand, den eine Beschäftigung von Praktikanten und Praktikantinnen bedeutet. Auch für kleinere Betriebe ist ein Praktikum eine gute Methode, geeignete Auszubildende zu finden.
Überlegen Sie zunächst, welche Ziele Sie mit dem Praktikumsangebot verfolgen. Denn neben dem freiwilligen Praktikum zur Berufsorientierung und der Einstiegsqualifizierung (EQ) gibt es auch andere spezielle Integrationsprogramme für Flüchtlinge.
Ein freiwilliges Praktikum zur Berufsorientierung kann bis zu drei Monate dauern und gibt Ihnen ausreichend Zeit, Bewerber/-innen fachlich und persönlich zu beurteilen. Diese Form des Praktikums ist besonders geeignet, wenn Sie den Wunsch haben, einen Ausbildungsplatz zu besetzen, und den oder die Bewerber/-in besser kennenlernen wollen. In diesem Fall bestimmen Sie die Inhalte und Dauer des Praktikums, schließen einen Praktikumsvertrag und setzen freiwillig eine angemessene Vergütung fest.
Möchten Sie das freiwillige Praktikum über drei Monate hinaus verlängern, bedenken Sie, dass dann der Tariflohn bzw. Mindestlohn gezahlt werden muss.
Darüber hinaus kann sich Ihr Betrieb an Programmen beteiligen, die von der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter angeboten und finanziell gefördert werden. Es handelt sich hier um Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge mit einer Dauer von sechs Wochen bis sechs Monaten. In diesem Zeitraum werden die schulische Vermittlung berufsbezogener Sprachkenntnisse mit der praktischen Feststellung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse kombiniert. Ein betriebliches Praktikum ist darin der Praxisteil, der je nach Programm ca. sechs Wochen umfasst. Ansprechpartnerin für diese Förderprojekte ist die örtliche Agentur für Arbeit, die Dauer und Inhalte festlegt. Praktikantinnen und Praktikanten beziehen während der betrieblichen Phase die finanziellen Leistungen der Agentur für Arbeit weiter.
Eine weitere Möglichkeit des Praktikums sind die Einstiegsqualifizierungen EQ oder EQ Plus, die speziell an die Bedarfe von jungen Geflüchteten, die bei der Arbeitsagentur gemeldet sind, angepasst sind und im Wissensbaustein "Einstiegsqualifizierung" ausführlich behandelt werden.
Ansprechpartner/-innen zur Durchführung geeigneter Praktika und Fördermöglichkeiten stehen Ihnen beim Arbeitgeberservice der örtlichen Agentur für Arbeit und bei den zuständigen Kammern zur Verfügung.
Der Aufenthaltsstatus von Geflüchteten entscheidet darüber, ob Sie sie unmittelbar beschäftigen dürfen oder ob die örtliche Ausländerbehörde ihre Zustimmung geben muss.
Bei anerkannten Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, können Sie als Arbeitgeber den Praktikanten oder die Praktikantin in der Regel direkt einstellen. Sie müssen lediglich feststellen, ob und bis wann die Aufenthaltserlaubnis befristet ist und wie gut im Falle einer Befristung die Aussichten auf Verlängerung sind.
Handelt es sich um Asylbewerber/-innen, befinden diese sich noch im Anerkennungsverfahren und haben solange eine Aufenthaltsgestattung, bis ihr Asylantrag entschieden ist (und sie eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten). Unter bestimmten Bedingungen (drei Monate nach Erteilung der Aufenthaltsgestattung, Stand Januar 2018) dürfen sie auch während des Verfahrens arbeiten oder ein Praktikum machen. Hier kommt es darauf an, welche Bleibeperspektive sie haben (das heißt wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie auch in Zukunft noch schutzbedürftig sind). Dazu muss unbedingt die Zustimmung der Ausländerbehörde und ggf. auch der Arbeitsagentur eingeholt werden.
Die zurzeit größte Gruppe der Geflüchteten hat einen Asylantrag gestellt, genießt aber nur "subsidiären Schutz". Das bedeutet, sie können zunächst für ein Jahr in Deutschland bleiben und haben Zugang zu beruflicher und schulischer Ausbildung und zum Arbeitsmarkt. Eine Verlängerung des Aufenthaltsrechts wird je nach Situation im Herkunftsland erteilt. Dies betrifft vor allem Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, Irak, Afghanistan und Eritrea.
Ähnliches gilt für Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber (noch) nicht abgeschoben werden. Diese "Geduldeten" haben eine Bescheinigung für die Aussetzung der Abschiebung und dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen arbeiten. In diesem Fall muss ebenfalls die Zustimmung der Ausländerbehörde und ggf. auch der Arbeitsagentur eingeholt werden.
Die Informationen über den Aufenthaltsstatus können Sie aus den Ausweispapieren ersehen. Dort können auch Einträge vermerkt sein, die Hinweise auf erlaubte/nicht erlaubte Erwerbstätigkeit, Beschäftigung, Arbeitsaufnahme und freie/eingeschränkte Wahl des Wohnsitzes beziehen.
Beachten Sie: Personen aus sicheren Herkunftsstaaten, deren Asylantrag nach 31.08.2015 gestellt wurden, dürfen nicht beschäftigt werden!
Nutzen Sie neben den klassischen Wegen der Bewerberansprache (Arbeitsagentur, Annoncen und Kontakte der eigenen Belegschaft) auch Kontakt zu Vertretern und Vertreterinnen staatlicher Initiativen, die sich speziell um die Vermittlung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt kümmern. Dazu gehören die Willkommenslotsen, die regional für fast alle IHKs und HWKs im Einsatz sind. Aber auch der Jugendmigrationsdienst (JMD), Lehrer/-innen an berufliche Schulen, in Integrationsklassen oder Sprachschulen sind Ansprechpartner/-innen mit Kontakten zu potenziellen Praktikanten und Praktikantinnen. In vielen Städten und Gemeinden gibt es darüber hinaus private Initiativen auf Stadtteil- oder Kirchengemeindeebene, die sich um junge Geflüchtete kümmern und gerne Kontakte herstellen. Empfehlenswerte Portale im Internet, die sich ebenfalls zur Kontaktaufnahme eignen sind www.workeer.de, www.careers4refugees.de und www.work-for-refugees.de
Wie sollte ein Praktikum organisiert werden?Junge Geflüchtete haben noch keine Erfahrungen im Berufsleben und müssen sich zuerst einmal an die Bedingungen im Arbeitsleben gewöhnen. Die meisten sind zu Beginn des Praktikums unsicher. Sie benötigen eine konsequente Betreuung, am besten durch eine feste Ansprechperson, die ihnen zur Seite steht und für möglichst alle Fragen ansprechbar ist. In den Wissensbausteinen "Verunsicherung von geflüchteten Jugendlichen", "Fehlender Bezug zur Arbeitswelt" und "Berufsorientierung für Geflüchtete" erhalten Sie Hinweise auf die Besonderheiten dieser Gruppe von Praktikanten und Praktikantinnen.
Generell gelten für Geflüchtete dieselben Regeln wie für andere: Praktikanten und Praktikantinnen sollten nicht nur mit einfachen Aushilfstätigkeiten betraut, sondern schrittweise auch an anspruchsvollere Aufgaben herangeführt werden, um Erfolgserlebnisse zu ermöglichen und ihre Motivation zu steigern. Hierzu gehört auch, dass sie nicht als billige Hilfskräfte betrachtet, sondern als künftige Kollegen und Kolleginnen anerkannt werden, die lernen und Erfahrungen sammeln sollen.
In der Praxis hat sich gezeigt, dass ein sinnvolles Praktikum eine Dauer von mindestens vier Wochen haben sollte. Nach zwei bis drei Wochen wird sich der oder die Praktikant/-in eingewöhnt und die ersten Anlaufschwierigkeiten überwunden haben. Erst dann können Sie sich wirklich ein Bild machen von ihm oder ihr machen.
Bei der Auswahl von Praktikanten und Praktikantinnen, die meistens keine Schul- und Arbeitszeugnisse vorweisen können, ist es besonders wichtig, die praktischen Vorerfahrungen zu erfragen oder zu testen. Oft haben Geflüchtete bereits gearbeitet oder sogar eine Fachschule besucht und dabei Fertigkeiten oder Kenntnisse erworben, die für das angestrebte Praktikum nützlich sein können.
In einem persönlichen Gespräch (siehe Wissensbaustein "Bewerbungsgespräch") werden Sie auch auf die Sprachkenntnisse der Bewerber/-innen achten. Handelt es ich um Anfänger/-innen oder sind sie schon in der Lage, sich gut zu verständigen? Welche sprachlichen Anforderungen stellen die Tätigkeiten im Praktikum? Müssen sie auch gut deutsch lesen können oder wird mehr mündlich kommuniziert? Im Praktikum verbessern junge Geflüchtete ihre Sprachkenntnisse häufig sehr schnell, weil Gespräche mit Handeln verbunden werden und sich dadurch bald ein Wortschatz aufbaut. Setzen Sie also die sprachlichen Anforderungen nicht zu hoch.
In der Regel gelten bei einem Praktikum die gleichen rechtlichen Regelungen wie bei anderen Beschäftigungsarten. Dies gilt für Pausen-, Arbeitszeit- und Sicherheitsregeln ebenso wie für Haftungsfragen. Bei "freien Praktika", die nicht über eine Schule, einen Weiterbildungsträger oder die Arbeitsagentur/das Jobcenter laufen, gibt es einen Vergütungsanspruch, wenn der Praktikant oder die Praktikantin Tätigkeiten ausführt, die normalerweise vergütet werden.
Bei "freien Praktika" erfolgt die gesetzliche Unfallversicherung über die Berufsgenossenschaft. Bei Schulpraktika oder Praktika über Weiterbildungsträger ist die gesetzliche Unfallversicherung über den Bildungsträger geregelt.
Spezielle Sicherheitsausrüstung, soweit erforderlich, muss in der Regel vom Betrieb gestellt werden, während einfache Arbeitsbekleidung einschließlich Sicherheitsschuhe normalerweise von Weiterbildungsträgern und Arbeitsagentur oder Jobcenter gestellt werden. Gegebenenfalls muss dies im Einzelfall vorher zwischen den Beteiligten abgeklärt werden.
Für mögliche Schäden während des Praktikums gelten die gleichen Regeln wie bei anderen Beschäftigten. In der Regel haftet der Betrieb für seine "Erfüllungsgehilfen".
Für jedes Praktikum sollte ein Vertrag abgeschlossen werden, der die Rechte und Pflichten während des Praktikums regelt. Bei Praktikanten und Praktikantinnen unter 18 Jahren sind natürlich die Regelungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes einzuhalten.