"Viele Köche verfärben den Brei..."

von Dr. Carolin Crmer-Kruff

... im bereichernden Sinne: Wie eine neuartige „Fachklasse im Gastgewerbe für Auszubildende mit besonderem Sprachförderbedarf“ am Aachener Käthe-Kollwitz-Berufskolleg berufliche Perspektiven schafft


„Kaputtes Deutsch“ ist im Klassenraumschnell zum Insider avanciert. „Die Schülersprechen im Unterricht zwar alle eine gemeinsameSprache – Deutsch –, aber es handeltsich dabei eben nicht um klassisches Hochdeutsch:Jeder einzelne Schüler spricht andersgebrochen Deutsch“, erklärt Braun. „KaputtesDeutsch“ lässt nur ansatzweise erahnen, wasdiese Klasse so besonders macht: 28 Auszubildende,eine Altersspanne zwischen 19 und40 Jahren, zwölf Nationen, komplett verschiedeneErfahrungen und Schicksale. Unterschiedlichergeht es kaum noch.Trotzdem funktioniert das Konzept, trotzdemfunktioniert der Unterricht, trotzdem funktioniertder Zusammenhalt. Und das Wichtigste:Fast alle Schüler haben sich in den vergangenenMonaten sprachlich weiterentwickelt –Schritt für Schritt. „Das gemeinsame Ziel lautet, die Ausbildung abzuschließen.
Die Wegedorthin sind aber grundverschieden und individuell– so unterschiedlich sind die Menschen,die in dieser Klasse sitzen“, erzähltBraun. Eine enormeHerausforderung –auch für sie als Lehrerin.Doch nur einenSatz später schwärmtsie von dem großenGemeinschaftssinn inder Klasse, von demWillen der Schüler,etwas zu erreichen,von der außergewöhnlich hohen Motivationund dem ausgeprägten Sozialverhalten. „Eskommt durchaus vor, dass die Schüler nachdem Unterricht den Klassenraum verlassenund sich bei uns Lehrern bedanken“, sagtBraun.

„Diese Ausbildungsform ist dual und nicht rein schulisch.
Die Rückmeldung der Unternehmen war durchweg positiv,
da ja auch für sie die Arbeit erleichtert wird.“
René de Costa, „Bildungsleiter Köche“
am Käthe-Kollwitz-Berufskolleg der Städteregion Aachen

Die Schüler wissen um ihre Chance.Eine Gelegenheit, die für keinen einzelnenvon ihnen eine Selbstverständlichkeit ist.Unterdessen bieten sich auch für die Ausbildungsbetriebegroße Chancen, die bereits inden Sommerferien vor dem Schuljahresstartvon der IHK Aachen über dieses neue Konzeptper Brief informiert worden waren.„Diese Ausbildungsform ist dual und nicht –wie andere berufsvorbereitende Kurse – reinschulisch“, betont René de Costa, „BildungsleiterKöche“ am Käthe-Kollwitz-Berufskolleg:„Die Rückmeldung der Unternehmen wardurchweg positiv, da ja auch für sie die Arbeiterleichtert wird.“

Von A wie „Alphabetisierung“...

Manche Schüler besaßen zu Beginn des Schuljahresbereits einige Deutschkenntnisse, manchegar keine. Einige Schüler besuchen imRahmen ihrer dualen Ausbildung sogar zumersten Mal in ihrem Leben eine Schule, sodass zunächst nichts anderes als die Alphabetisierungauf dem Programm stand. Vorallem im Gastgewerbe seien gute Sprachkenntnissedas A und O, sagt de Costa. DieKäthe-Kollwitz-Schule als Berufskolleg derStädteregion Aachen „bedient“ die Ausbildungsberufe„Koch/Köchin“, „FachpraktikerKüche“, „Hotelfachmann/-frau“, „Restaurantfachmann/-frau“, „Fachmann/-frau für Systemgastronomie“und „Fachkraft im Gastgewerbe“.Ein Blick zurück. Sommer 2017: Insgesamt33 Schüler starten in der „KÖRH17“,einer von drei Fachklassen im Gastgewerbeam Käthe-Kollwitz-Berufskolleg. Weder sienoch die verantwortlichen Lehrer wissen zu100 Prozent, wie es in den nächsten Monatenweitergeht, welchen Verlauf dieses „Projekt“nimmt.

„Wir müssen hart trainieren, denn viele von uns sind in der Praxis sehr gut,
haben aber sprachliche Probleme, die Stück für Stück verbessert werden müssen.“
Arber Doda, Auszubildender
am Käthe-Kollwitz-Berufskolleg der Städteregion Aachen

Das Angebot: Gemeinsam mit der IHKAachen sowie derAgentur für Arbeitund mit Zustimmungder Bezirksregierungwurde eine gastgewerblicheKlasse mitbesonderer Sprachförderungeingerichtet,die sich in erster Liniean Geflüchtete, Auszubildendemit Migrationshintergrund undschwächere Azubis richtet. Was verbirgt sichgenau dahinter? Die berufsbezogenen Fächerwerden in leicht reduzierter, „sprachsensiblerForm“ unterrichtet; hinzu kommt allerdingseine intensive Sprachförderung der Schüler.Pro Stunde kommen jeweils zwei Lehrkräftezum Einsatz. Je nach Leistungsstand habendie Schüler am Endedes ersten Schuljahresdie Möglichkeit, denStoff noch einmal zuwiederholen oder direkt in das regulärezweite Ausbildungsjahreinzusteigen. „Mitdem Angebot möchtenwir erreichen, dassjunge Menschen in dieser ganz speziellenSituation überhaupt realistische Möglichkeitengeboten bekommen, ihre Ausbildungabzuschließen“, erklärt Annegreth Schneider,„Bereichsleiterin Gastgewerbe“ am Käthe-Kollwitz-Berufskolleg: „Die hohen Anmeldezahlenhaben gezeigt, dass wir damit offensichtlichin ein Wespennest gestoßen sind.“Die Organisatoren hätten mit 15 bis 20 Schülernim ersten Jahr gerechnet. Es wurden 34,und schon jetzt lägen viele Anfragen für dasnächste Schuljahr vor.

... bis Z wie „Zielvorstellung“

Auch wenn eine Handvoll Schüler seit Schulbeginndas Handtuch geworfen hat: Die verbliebenen28 sind hochmotiviert, ihre Ausbildungin diesem Rahmen erfolgreich abzuschließen.Nur aufgrund dieser Einstellungund des positiven Klassenklimas sei ein zielführenderUnterricht mit dieser Klassengrößeüberhaupt machbar, sagt Braun. Andereberufsvorbereitende Kurse seien wesentlichkleiner. So oder so: Für viele Schüler ist dieses Angebot ein Lichtblick mit einem klarenZiel vor Augen – angesichts der vielen Probleme,die ihre täglichen Begleiter sind. Beimanchen von ihnen verlängert die Ausländerbehördedie Ausbildungsduldung nur imDrei-Monats-Rhythmus, bei anderen ist dieWohnsituation katastrophal, wieder anderebelasten Traumata oder die Angst vor Abschiebung.

Von der Zweiten Liga in die erste

Sidiki Traore aus Guinea ist einer der Schüler,die in Deutschland zum ersten Mal in ihremLeben eine Schule besuchen. Der 22-Jährigemusste ganz von vorne anfangen, indem ererst einmal lesen und schreiben lernte. „Auchwir haben etwas lernen müssen – nämlich,dass es nicht selbstverständlich ist, dassjemand lesen und schreiben kann“, sagtAnnegreth Schneider. Auch Arber Dodapaukt Tag für Tag Vokabeln, lernt Grammatikund versucht, seineAussprache zu verbessern.Er ist aus Albaniengeflüchtet undschätzt sich glücklich,Teil dieser Klasse zusein. „Ich vergleichedas immer mit demFußball“, sagt er: „Wirsind wir noch in derZweiten Liga; aber nächstes Jahr werden wirin der Bundesliga spielen. Dafür müssen wirhart trainieren, denn viele von uns sind in derPraxis sehr gut, haben aber sprachliche Probleme,die Stück für Stück verbessert werdenmüssen.“

„Ich sehe deutliche Fortschritte“

Den Lehrern wird daher die Möglichkeit gegeben,die Unterrichtsinhalte möglichst freiumzusetzen, so dass sie an das Lerntempo derSchüler angepasst werden können. Auch LulzimHoti möchte Koch zu werden. „Ich willkeine Unterrichtsstunde verpassen“, sagt der24-jährige Albaner: „Ich hatte viele Problememit der deutschen Sprache. Seit ich in dieserKlasse bin, sehe ich deutliche Fortschritte. Ichhoffe, dass jeder von uns sein Ziel erreichenwird.“

IHK-Ansprechpartnerin:

Kerstin Faßbender

Tel.: 0241 4460-208

kerstin.fassbender(at)aachen.ihk.de

Artikel aus: wirtschaftliche NACHRICHTEN 05 | 2018 der IHK Aachen

 
 
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