"Ich habe gelernt zu kämpfen, um etwas zu erreichen"

Auf einen Blick

Der Unternehmer Admir Bahonjic, der als 14-Jähriger vor dem Krieg in Bosnien nach Deutschland flüchtete, spricht im zweiten Teil des Interviews über die mangelnde Attraktivität bestimmter Berufe, über die Einstellung junger Menschen dazu, über Flüchtlinge und ihre Probleme, wie Integration trotzdem gelingen kann - und weshalb er heute die eigene Firma nicht unter seinem Namen führt.

Hier geht es zu Teil 1 des Interviews.


Interview (Teil 2)

Herr Bahonjic, Sie haben für Ihre Firma lange nach Auszubildenden gesucht. Weshalb, glauben Sie, ist es heutzutage so schwer, junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern?

Meiner Meinung nach kommt die Ablehnung von den Eltern, die natürlich nur das Beste für ihre Kinder wollen. Die Kinder gehen alle lange zur Schule und sollen möglichst studieren, um nicht in körperlich anstrengenden Berufe arbeiten zu müssen. Es ist auch ein Versäumnis der Politik, dieses Thema nicht rechtzeitig in Angriff genommen zu haben. Erst wenn der Mangel verheerende Ausmaße annimmt wie in den Pflegeberufen, werden Gegenmaßnahmen gesucht. Es ist wichtig, Kinder in der Grundschule schon für die handwerklichen und kreativen Berufe zu begeistern oder die bei ihnen durchaus vorhandene Begeisterung zu fördern. Es können nicht alle Ärzte, Anwälte oder Betriebswirte werden. Natürlich sollen Kinder träumen dürfen und auch versuchen, das Bestmögliche aus ihrem Leben zu machen. Aber dabei sollte man ihnen auch ehrlich die Grenzen ihrer Fähigkeiten aufzeigen.

Wenn Sie noch einmal auf Ihre eigene Lebensgeschichte Rückschau halten: Hat Ihr eigene Fluchtgeschichte Sie in Ihrem beruflichen Werdegang geprägt?

Natürlich hat mich die Vergangenheit geprägt. Ich habe gelernt zu kämpfen, um etwas zu erreichen und bei Schwierigkeiten nicht aufzugeben. In Verhandlungen mit Architekten, Immobiliengesellschaften und Lieferanten trage ich diese "Kämpfe" auch heute noch aus, um mich nicht unter Wert zu verkaufen.

Gibt es etwas, was Sie jungen Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, mit auf den Lebensweg geben möchten?

Ich würde ihnen gerne sagen, dass man in Deutschland alles erreichen kann, wenn man bereit ist, etwas dafür zu tun. Ich habe die 8. und 9. Klasse hier in Deutschland besucht und den Hauptschulabschluss erworben. Mehr brauchte es nicht für den Anfang. Ich führe jetzt einen kleinen Betrieb mit sechs Angestellten. Ich hätte noch mehr haben können, wenn ich gewollt hätte. Aber ich bin vollkommen zufrieden mit dem Erreichten. Ich rate jedem, nur fleißig zu sein - alles andere kommt von alleine.

Welche Unterschiede gibt es zwischen Ihrer Fluchtgeschichte damals aus Bosnien und den Flüchtlingen jetzt? Was waren für Sie als junger Mensch die größten Verluste?

Der größte Verlust war, dass man alles Vertraute aufgeben musste. Die Eltern waren bei mir, aber alles andere war nicht mehr da: der gewohnte Weg zur Schule zum Beispiel, die vertrauten Menschen, die man auf dem Weg getroffen hat, das Elternhaus war weg und natürlich all die lieben Verwandten und Bekannten, die den Krieg nicht überlebt haben. Es ist nicht leicht als junger Mensch, all das zu verarbeiten und sich gleichzeitig hier einzuleben. Aber es war und ist für Jüngere etwas leichter als für Erwachsene, die sich oft nie richtig zurechtfinden in der neuen Heimat. Und das ist meistens auf die sprachlichen Schwierigkeiten zurückzuführen.
Die jetzigen Flüchtlinge haben es schwerer. Bosnien ist ein europäisches Land und kulturell nicht so weit entfernt von Deutschland wie beispielsweise Syrien oder nordafrikanische Länder. Sie haben mit viel mehr Vorurteilen zu kämpfen, und es wird viel länger dauern, bis sie hier akzeptiert werden.

Haben Sie aufgrund Ihrer Herkunft auch mit kulturellen und sozialen Ausgrenzungen zu kämpfen gehabt?

Natürlich habe ich oft Ausgrenzungen erlebt. Ich habe immer versucht, mir das nicht zu Herzen zu nehmen und es auf die Unwissenheit der Menschen geschoben. Ich habe versucht, keinen Anlass für die Ausgrenzung zu geben und die Sprache schnell erlernt, um mich schneller zu integrieren, wie man heutzutage so schön sagt. Ich habe den Weg gewählt, eine Firma zu führen, die nicht meinen Namen trägt, um nicht von vornherein abgelehnt zu werden. Ich denke, das sagt viel über die heutige Gesellschaft aus. Mag sein, dass ich jetzt Vorurteile habe, aber es ist eher die Erfahrung, die mich das gelehrt hat.

Wie sieht denn Ihrer Meinung nach gelungene Integration aus?

Integration kann nur gelingen, wenn beide Seiten etwas dafür tun. Die Flüchtlinge müssen ihr neues Leben annehmen und nicht auf die Hilfe anderer hoffen, sondern aktiv für ihre bessere Zukunft kämpfen. Und wir in Deutschland müssen ihnen etwas entgegenkommen und ihre Bemühungen honorieren - zum Beispiel die Chance auf Arbeit für alle, die zum Deutschunterricht gehen und unbedingt lernen wollen. Die Politik darf aber das Flüchtlingsthema nicht über alles andere stellen, um den Bürgern nicht das Gefühl zu geben, sie seien nicht so wichtig. Da muss ein Gleichgewicht geschaffen werden, damit die Abneigungen gegen Geflüchtete nicht noch mehr aufgebaut werden.

 
 
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