Drei Azubis und ein Staatsoberhaupt

Auf einen Blick

Unternehmen: Unicblue GmbH & Co KG, Gelsenkirchen
Website: www.unicblue.com
Mitarbeiter: ca. 80


Praxisbeispiel

Offen, ehrlich und die Ärmel immer hochgekrempelt – so sieht Franz Przechowski, geschäftsführender Gesellschafter der Gelsenkirchener Agentur Unicblue GmbH & Co KG, seinen auf Werbung, Markenkommunikation und Messebau ausgerichteten Betrieb: "Der Pott ist unsere Heimat, die Welt unser Revier."Die Firma hat ihren Sitz auf dem früheren Gelände der Zeche Dahlbusch – mit Schreinerei, Lackiererei und Elektrowerkstatt. Weitere Standorte gibt es in Basel und Shanghai. "Wir sind seit jeher ein weltoffenes Unternehmen", sagt Przechowski, "und unsere Werte prägen unsere gelebte Unternehmenskultur."

Als Anfang Januar 2015 die Zahl der Flüchtlinge, die nach Europa wollten, immer weiter anstieg, war für den Unicblue-Chef klar, "dass wir in Deutschland ein Riesenproblem bekommen werden – und ich dachte als Unternehmer und Bürger darüber nach, welchen Beitrag ich persönlich zur Lösung beitragen kann". Und so kam es, dass er seit Sommer 2015 drei junge Männer zusätzlich ausbildet: Muhamad Ibrahim Seray aus Eritrea zum Lagerfacharbeiter, Elvis Loua aus Guinea zum Tischler und Filmon Nguse, ebenfalls aus Eritrea, zum Kaufmann für Marketing und Kommunikation. "Selbstverständlich hatten wir von Beginn an die Absicht, die von uns ausgebildeten Fachkräfte nach der Lehrzeit zu übernehmen", sagt Franz Przechowski, "und so, wie es heute aussieht, wird das auch geschehen."

Über das Netzwerk "ELNet Bleiberecht Emscher-Lippe", dem verschiedene Bildungs- und Qualifizierungsträger, kirchliche Organisationen sowie Träger der Grundsicherung aus Recklinghausen, Bottrop und Gelsenkirchen angehören, wurden dem Ausbildungsbetrieb elf Kandidaten vorgeschlagen. "Wir haben dann einen Fragebogen entwickelt, um zu erfahren, wie es um die soziale Kompetenz dieser Bewerber stand, welche beruflichen Erfahrungen sie haben, welche Talente sie zu haben glauben oder welche Erwartungen und Träume sie mit nach Deutschland gebracht haben."Przechowski ist davon überzeugt, dass Flüchtlinge durch Sprach- und Arbeitsangebote eine Perspektive bekommen müssen, um ihre Träume auch realisieren zu können.

Einfach war es damals nicht, die drei Ausbildungsplätze zu schaffen: "Denken Sie zurück an das Chaos in den Verwaltungen, was im Frühjahr 2015 auf allen Ebenen herrschte", sagt der Unicblue-Geschäftsführer, "Gesetze, die eine Arbeitsstelle oder Ausbildung juristisch absicherten, gab es erst ab August 2015 – deshalb war ich mit allen Fragen allein und musste mit hohen Risiken behaftete Entscheidungen treffen."Unterstützt wurde er dabei von Ehefrau und Personalleiterin Claudia Przechowski und Tochter Vivien, die in der Geschäftsleitung sitzt. Probleme bei der Integration der drei Azubis ins Familienunternehmen hatten weder die Neulinge noch die Mitarbeiter. "Ich rate dazu, möglichst frühzeitig mit einer nach innen gerichteten Kommunikation zu beginnen, die mit Fakten überzeugen kann", sagt Przechowski, "dass es zum Beispiel wichtig für den Fortbestand der Firma ist, wenn junge Facharbeiter ausgebildet werden können, die es sonst als Kandidaten nicht gäbe."

"Wir empfinden es als unsere humanitäre Pflicht, Menschen, die unter Lebensgefahr aus ihrer Heimat fliehen mussten, eine Chance zu geben", hatte Przechowski auf der Unicblue-Facebook-Seite geschrieben, "ohne Berufsausbildung und deutsche Sprachkenntnisse wird die Integration dieser Menschen scheitern und Schaden verursachen – für alle, auch für uns als Gesellschaft."

Was den Unicblue-Chef an seinen Azubis freut, sei ihre aufrichtige Dankbarkeit und ihr Wille, nicht enttäuschen zu wollen. "Und wir sind stolz darauf, Wort gehalten zu haben, als wir damals sagten: Wir schaffen das!"Obwohl sich die verantwortlichen Ausbilder im Unternehmen persönlich um die Belange ihrer Azubis kümmern, beispielsweise mit deren Berufsschullehrern Kontakt halten oder sie bei Anwaltsbesuchen im Zusammenhang mit ihren Asylverfahren begleiten, sagt Filmon Nguse: "Unsere Vertrauensperson ist uneingeschränkt Herr Przechowski."Der junge Eritreer, seit August 2013 in Deutschland, hat in seiner Heimat Abitur gemacht und ein Studium der Biologie nach zwei Jahren abbrechen müssen. Jetzt will er seine Ausbildung erfolgreich beenden und ebenso erfolgreich als Kaufmann für Marketing und Kommunikation arbeiten. Er und seine beiden Kollegen lernen deshalb fleißig die deutsche Sprache, um bald in Wort und Schrift perfekt zu sein.

Wie weit sie damit schon sind, durften sie Anfang September 2016 auf einer Veranstaltung der "Wir zusammen"-Initiative der deutschen Wirtschaft bei ThyssenKrupp in Essen demonstrieren. Die Unicblue GmbH & Co KG hatte dafür einen Bild-Parcours konzipiert und produziert und wurde neben vier anderen Unternehmen für ihr Flüchtlingsengagement ausgezeichnet. Auch Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt waren da. "Wir hatten die Gelegenheit, das Projekt und uns als Unternehmen vorzustellen", sagt Franz Przechowski, "und Bundespräsident Gauck sprach dann ausgiebig mit unseren drei Azubis und ließ sich aus ihrem Arbeitsalltag berichten."Ein Erlebnis, das Filmon, Elvis und Muhamad sicherlich nie mehr vergessen werden.

 
 
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