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Unangemessene Kleidung und Körperschmuck

  • Outfit gestern und heute

    Glücklicherweise leben wir heute in einer Zeit, in der weniger streng als noch vor wenigen Generationen vorgegeben ist, was man wo zu tragen hat. Wo unsere Großeltern noch harte Konsequenzen befürchten mussten, wenn ihre Kleidung nicht "standesgemäß" war, genießen wir heute einen deutlich größeren Spielraum. Denn wir leben in einer der freiesten und tolerantesten Gesellschaften, die je auf dieser Welt existierten.

    Dennoch gibt es gewissen Grenzen, die auch in unserer Gesellschaft gelten. So lassen sich drei Kriterien dafür ausmachen, welche Kleidung oder welchen Körperschmuck ein Azubi tragen kann oder was im beruflichen Kontext unangemessen ist:

    • Es gibt individuelle Kriterien, die sich am ehesten als "persönlicher Geschmack" bezeichnen lassen. So mag der Filialleiter einer Drogerie vielleicht aus persönlichen Gründen keine Piercings und möchte deshalb nicht, dass seine Auszubildenden solche tragen.
    • Berufsbezogene Kriterien haben etwas mit der typischen Arbeitskleidung zu tun, die in einer bestimmten Branche oder in einer bestimmten Art von Geschäft üblich ist. So tragen möglicherweise alle Mitarbeiter/-innen einer Bäckerei, die Kundinnen und Kunden bedienen, ein grünes T-Shirt mit dem Logo der Bäckerei.
    • Andere berufsbezogene Kriterien stellen die Arbeitssicherheit und Hygiene sicher. So kann es gefährlich sein, bei der Bedienung von Maschinen Armreifen zu tragen. Denn dies erhöht die Wahrscheinlichkeit arbeitsbedingter Verletzungen.

    Dennoch kommt es vor, dass Auszubildende sich unangemessen kleiden oder unpassenden Schmuck tragen. Dann können Ihnen die folgenden vier Fragen helfen, als Ausbilder/-in die Situation einzuschätzen und professionell zu reagieren. Professionalität meint hier eine kooperative Haltung, mit der sich gemeinsam annehmbare Lösungen aushandeln lassen, anstatt durch gegensätzliche Argumentationen immer stärker verhärtende Fronten aufzubauen.

  • Was sind Ihre persönlichen Kriterien für unangemessene Kleidung?

    Wenn Sie bemerken, dass Ihnen die Kleidung oder der Schmuck eines Azubis wiederholt sauer aufstößt, so atmen Sie erst einmal tief durch. Fragen Sie sich, ob es nicht nur an Ihrem persönlichen Geschmack liegt, dass Ihnen das Auftreten des Azubis unangemessen erscheint. Tauschen Sie sich mit Kolleginnen und Kollegen oder auch mit Ihrem/Ihrer Ehepartner/-in oder mit Freunden darüber aus.

    Sind es tatsächlich rein persönliche Kriterien, die Sie hier anlegen, sollten Sie diese überdenken. Natürlich sind Sie verantwortlich für Ihre Auszubildenden und für das Geschäft – dennoch ist es in manchen Fällen sinnvoll zu hinterfragen: Ist es wirklich nötig, so streng zu sein? Wäre es nicht erstrebenswert, die Vielfalt der Ausdrucksformen wertzuschätzen, die sich auch im Kleidungsstil und im Schmuck der jungen Menschen zeigt? In vielen Branchen ist die Kundschaft sehr viel toleranter, als man gemeinhin glaubt. Oft ist es gerade die Offenheit gegenüber dem aktuellen Zeitgeist, der das Geschäft belebt. Und wenn in Ihrer Firma oder in Ihrer Ausbildungsgruppe sehr viele unterschiedliche Menschen tätig sind, so kann man das genauso gut als Ressource betrachten. Zum Glück sind wir nicht alle gleich – deshalb können wir voneinander lernen. Unterschiede in der Persönlichkeit drücken sich nun einmal (auch) im Kleidungsstil und Schmuck aus.

    Sollten Sie dennoch zu dem Schluss kommen, dass die Kleidung oder der Schmuck nicht angemessen sind, notieren Sie sich genau, warum Sie das denken. Erstellen Sie eine kleine Liste mit klaren Argumenten, die Ihre Position gut begründen.

  • Was sind berufsbezogene Kriterien für unangemessene Kleidung?

    Wenn Sie bemerken, dass es "harte" Kriterien sind, die etwa die Sicherheit der Auszubildenden oder klare Richtlinien für Berufskleidung betreffen, die in Ihrem Betrieb gelten, sollten Sie diese zunächst klar für sich selbst benennen. Erstellen Sie eine kleine Liste mit Argumenten, die Ihre Position gut und sachlich begründen, bevor Sie in ein Gespräch mit dem Azubi gehen. Dabei können Sie ggf. auf Vereinbarungen im Ausbildungsvertrag oder im Einstellungsgespräch verweisen (siehe Punkt 4.). Bitten Sie die oder den betreffenden Auszubildende/-n in einer ruhigen Minute zu sich (zum Beispiel am Ende der Arbeitszeit). Stellen Sie sicher, dass Sie in dieser Zeit nicht gestört werden und dass ein Gespräch in einer vertrauensvollen Atmosphäre möglich ist.

    Warum dieser Aufwand? Wichtig ist nicht nur, dass die betreffenden Azubis den Kleidungsstil ändern, sondern dass sie auch verstehen, warum sie sich während der Arbeitszeit nicht so kleiden können wie zuvor.

  • Wie können Sie freundlich und zugleich bestimmt kommunizieren?

    Agieren Sie nicht einfach aus dem Bauch heraus. Gehen Sie erst dann in das Gespräch, wenn Sie gute Argumente haben, und nehmen Sie sich dafür Zeit. Das Thema Kleidung und Körperschmuck ist ein sehr intimes und oftmals heikles – auch wenn man das zunächst nicht vermuten mag. Wie eine Person sich nach außen darstellt, hat sehr viel mit ihrem tiefsten Inneren zu tun – damit, wer sie ist und sein will. Gerade bei jungen Menschen ist die Identität noch nicht gefestigt. Nehmen wir ihnen diese Ausdrucksmöglichkeit für die eigene Persönlichkeit, kann das zu starken Verunsicherungen führen, die die persönliche Identität auf einer sehr feinen Ebene ankratzt. Sie brauchen ihre Ausdrucksmöglichkeiten mittels Kleidung und Schmuck, um sich im Kontakt mit anderen Menschen sicher zu fühlen.

    Es ist deshalb ein wenig Fingerspitzengefühl erforderlich, damit die Kommunikation gelingt. Aus unachtsamer Kommunikation können persönliche Verletzungen resultieren, die gar nicht beabsichtigt waren. Führen Sie das Gespräch deshalb auf keinen Fall zwischen Tür und Angel. Zeigen Sie, dass es Ihnen nicht nur um die Kleidung oder den Schmuck als solchen geht, sondern lassen Sie die Auszubildenden spüren, dass Sie sie als Menschen schätzen, unabhängig vom persönlichen Stil.

    Sie können sich bei Ihrer Gesprächsführung an folgendem Schema orientieren:

    Schritt 1: Beschreiben Sie zunächst Ihre reine Beobachtung, ohne zu werten. Was sehen Sie? Was fällt Ihnen auf? Beziehen Sie sich dabei möglichst auf Gegenwärtiges, zum Beispiel: "Mir fällt auf, dass Sie eine lange Kette tragen."

    Schritt 2: Beschreiben Sie Ihr Bedürfnis und Ihre eigenen Emotionen. Das fällt uns manchmal schwer, weil wir fürchten, uns dabei verletzlich zu machen. Es geht jedoch gerade darum, die eigene Machtposition zu relativieren, sich zu öffnen und dem Gegenüber zuzuwenden. Je offener Sie sich zeigen, desto eher ist die betreffende Person bereit, mit Ihnen zu kooperieren. Es ist als Ausbildender/-in Ihre Aufgabe, diese Offenheit aktiv zu initiieren, etwa indem Sie sagen: "Ich habe Angst, dass Sie sich an der Maschine verletzen."

    Schritt 3: Formulieren Sie möglichst einen Wunsch oder eine Bitte. Es ist besser, etwas gemeinsam mit Auszubildenden auszuhandeln, als einfach nur Ihre Autorität geltend zu machen. Nur in ganz schweren Fällen (etwa wenn es um Verletzungsgefahr geht), formulieren Sie klare, nicht hinterfragbare Erwartungen, zum Beispiel: "Ich erwarte, dass Sie zukünftig während der Arbeitszeit die Kette oder ähnlichen Schmuck ablegen."

    Sorgen Sie bei geschlechtsspezifischen Themen - etwa Freizügigkeit in der Kleidung –dafür, dass nach Möglichkeit gleichgeschlechtliche Gesprächspartner das Gespräch führen. Ist das nicht realisierbar, bleiben Sie in Ihren Formulierungen so objektiv und wertfrei wie möglich.

    Folgende Formulierungen können Ihnen helfen, Ihre Position klar und deutlich zu vertreten, ohne dabei auf einer persönlichen Ebene zu verletzen:

    • Mir fällt auf, dass Sie einen sehr kurzen Rock tragen.
    • Mir fällt auf, dass Sie eine Goldkette tragen.
    • Ihr Shirt hat einen sehr tiefen Ausschnitt.
    • Ich habe (etwas) Angst um Ihr Wohlbefinden.
    • Ich fürchte, das wirkt irritierend auf unsere Kundschaft.
    • Meine Sorge ist, dass das nicht zu unserem Geschäft passt.
    • Es ist mir ein persönliches Anliegen, dass wir hier alle in einem einheitlichen Look auftreten.
    • Die Kleidung, die Sie tragen, passt nicht zu unserem Geschäftskonzept.
    • Wenn Sie Ringe in der Nase/an Ihren Fingern/am Arm tragen, könnte das gefährlich für Sie und andere werden, weil Sie zum Beispiel an einem Nagel hängen bleiben können.
    • Wenn Sie an den Maschinen arbeiten, kann sich die Kette in den Zahnrädern verfangen.
    • Ich bitte Sie darum, den Nasenring während der Arbeitszeit zu entfernen.
    • Ich bitte Sie darum, lange Hosen zu tragen, wenn Sie beim Kunden sind.
    • Ich wünsche mir, dass wir als Team auftreten. Das bedeutet auch ähnliche Kleidung.

    Dabei gilt die Grundregel: Bei Kriterien des persönlichen Geschmacks bitten Sie darum, etwas am Kleidungsstil oder am Schmuck zu ändern. Bei strengeren Kriterien (typische Arbeitskleidung, Verletzungsgefahr, Hygiene) sind Sie hingegen bestimmter.

    Treten Sie jedoch jederzeit freundlich auf. Machen Sie deutlich, dass es im Interesse aller ist, also auch im Interesse der oder des Auszubildenden, etwas am Kleidungsstil oder am Schmuck zu ändern. Falls Sie bemerken, dass Sie bei Ihrem Gegenüber eine starke Verunsicherung hervorrufen (was sich auch in einer reservierten oder aggressiven Reaktion äußern kann), machen Sie deutlich, wofür Sie die Person schätzen. Das kann etwa ihre Arbeitskraft sein, ihre Zuverlässigkeit, vielleicht aber auch andere besondere Qualitäten, die nur dieser Mensch hat. Geben Sie ihm die Chance, sich individuell in Ihr Team einzubringen. Wenn Auszubildende sich wirklich von Ihnen geschätzt und gebraucht fühlen, spielen Schmuck und Kleidung gar keine so große Rolle mehr.

  • Worauf können Sie im Vorfeld achten, damit eine schwierige Situation gar nicht erst auftritt?

    Weisen Sie beispielsweise schon im Vorstellungsgespräch klar und deutlich auf etwaige Kleidungsvorschriften hin. Die Jugendlichen sollen wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie sich für eine Ausbildung in Ihrem Betrieb entscheiden. Vorschriften zur Arbeitssicherheit und Hygiene können in Umkleideräumen und am Arbeitsplatz deutlich sichtbar angebracht werden. So sind Schwierigkeiten in Bezug auf Kleidung und Schmuck von vornherein weniger wahrscheinlich.

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